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Newsletter 8/2022 vom 20. Juli 2022

Entscheidungen des
Niedersächsischen
Finanzgerichts

Az. 1 K 267/19 – Urteil vom 24.03.2022

Maßgeblichkeit im Vergleichswertverfahren der von den Gutachteraussschüssen mitgeteilten Vergleichspreisen


1. Der Gesetzgeber hat die Ermittlung von Vergleichspreisen und -faktoren explizit den Gutachterausschüssen aufgegeben, da diesen auf Grund ihrer besonderen Sach- und Fachkenntnis und ihrer größeren Ortsnähe sowie der in höherem Maße von Beurteilungs- und Ermessenerwägungen abhängigen Wertfindung eine vorgreifliche Kompetenz zukommt. Eine fachliche Überprüfung durch - mit geringerer Sachkunde ausgestattete- Gericht würde dem widersprechen.

2. Der Bedarf für den Erlass eines Feststellungsbescheids muss bei Eintritt der Bestandskraft des Feststellungsbescheids gegeben sein. Bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung im Feststellungsverfahren über den Grundbesitzwert kann das für die Steuererhebung zuständige Finanzamt seine Entscheidung jederzeit ändern.

3. Die nach § 198 BewG dem Steuerpflichtigen zugewiesene Nachweislast geht über die reine Darlegungs- und Feststellungslast hinaus. Der Wert kann außer durch einen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zeitnah zum maßgeblichen Besteuerungsstichtag erzielten Kaufpreis für das zu bewertende Grundstück grundsätzlich nur durch die Vorlage eines Gutachtens eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen geführt werden.

Revision eingelegt – BFH-Az.: II R 17/22

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Az. 7 K 118/19 – Urteil vom 23.02.2022
Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung zur gesondert und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen einer sog. Abrechnungsgesellschaft

Schließen sich mehrere Windkraftanlagenbetreiber zu einer Abrechnungsgesellschaft in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zusammen, um gegenüber den Energieversorgern an einem gemeinsamen Zählpunkt abzurechnen, besteht aufgrund der Gewerblichkeit dieser Tätigkeit die Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung zur gesondert und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen.

Die Zahlungen bzw. die Weiterleitungen der anteiligen Einspeisevergütungen an die Gesellschafter sind Teil der Gewinnverteilung und stellen keine Sonderbetriebseinnahmen der Gesellschafter dar.

rechtskräftig

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Az. 10 K 148/21 – Urteil vom 11.01.2022
Kindergeldanspruch für Spätaussiedler bereits ab dem Zeitpunkt der Einreise nach Deutschland

Spätaussiedler, denen diese Eigenschaft gemäß § 15 BVFG durch das Bundesverwaltungsamt bescheinigt wird, erfüllen bereits ab dem Zeitpunkt ihrer Einreise nach Deutschland, mit der sie in Deutschland einen gewöhnlichen Aufenthalt begründen, und nicht erst ab dem Zeitpunkt der Ausstellung der Bescheinigung nach § 15 BVFG die Voraussetzungen des § 62 Abs. 1 und können bereits ab dem Zeitpunkt der Einreise einen Kindergeldanspruch haben. Die Ausstellung der Bescheinigung nach § 15 BVFG, in dem das Datum der Einreise vermerkt ist, wirkt insoweit auf das Datum der Einreise zurück.

rechtskräftig

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Az. 11 K 91/21 – Urteil vom 21.04.2022
Kindergeld: Altersgrenze von 25 Jahren ist verfassungsgemäß.

Es verstößt nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG, dass der Gesetzgeber die Altersgrenze von 25 Jahren im Zuge der Corona-Pandemie nicht verlängert hat. Die nicht erfolgte Anpassung der Altersgrenze an die von den Bundesländern verlängerten Regelstudienzeiten für Studierende führt nicht zur Verfassungswidrigkeit.

rechtskräftig

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Az. 11 K 14125/19 – Urteil vom 15.07.2021
Haftungsbescheid gegen ausländische Vergütungsschuldner nach § 50 a EStG für künstlerische Darbietung

§ 50 a Abs. 4 Satz 1 EStG ist in Anwendbarkeit und Auslegung der Rechtsprechung des BFH und des EuGH europarechtskonform.

Einer Einbehaltungs- und Abführungspflicht nach § 50 Abs. 4 EStG steht nicht entgegen, dass es sich bei den engagierten Künstlern um Ensembles handelt, die nach der Behauptung des Vergütungsschuldners durch ausländische Mittel gefördert worden sind.

Der Einbehaltungs- und Abführungspflicht stehen die Regelungen der DBA zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den jeweiligen Wohnsitzstaaten der Künstler und dem Sitzstaat des Vergütungsschuldners nicht entgegen.

Revision eingelegt – BFH-Az.: I R 35/21

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Die Volltexte der genannten Entscheidungen sowie weitere Entscheidungen des Niedersächsischen Finanzgerichts ab dem 1. Januar 2000 können Sie auf dem Niedersächsischen Landesjustizportal abrufen.

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Gut zu wissen

– was möchten Sie hier lesen?

Seit Januar des letzten Jahres veröffentlichen wir mit dem monatlichen Newsletter die Rubrik „Gut zu wissen“. Mit dieser Rubrik möchten wir den Abonnenten unserer monatlichen Pressemitteilung und die Besucher der Webseite des Niedersächsischen Finanzgerichts verschiedene steuer- und verfahrensrechtliche Themen näher bringen und möglichst leicht verständlich darstellen, was aus unserer Sicht für das Verfahren vor dem Finanzgericht eben „gut zu wissen“ ist.

Ist uns das bisher gelungen? Waren die ausgewählten Themen für Sie interessant oder würden Sie gerne etwas anderes an dieser Stelle lesen? Über Anregungen, Lob und Kritik freuen wir uns!

Zum Nachlesen unsere bisherigen Beiträge im Überblick:

2021

Newsletter 1/2021

Aussetzung der Vollziehung erst beim Finanzamt beantragen

Newsletter 2/2021

Klagerücknahme oder Erledigungserklärung? – Auswirkungen auf die Gerichtskosten

Newsletter 3/2021

„vGA-Falle“: Form und Fremdvergleich bei Zuwendungen an beherrschende Gesellschafter

Newsletter 4/2021

Prozesskostenhilfe – isolierter Antrag vor Klageerhebung kann Gerichtskosten sparen!

Newsletter 7/2021

Zeitlicher Umfang einer Klage gegen einen Kindergeld-Ablehnungsbescheid

Newsletter 8/2021 Recht auf Akteneinsicht im finanzgerichtlichen Verfahren

Newsletter 9/2021

Bezeichnung des Gegenstandes des Klagebegehrens - zwingende Voraussetzung für die Zulässigkeit der Klage!

Newsletter 10/2021

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung der Klagefrist

Newsletter 12/2021

Senat, Einzelrichter oder Berichterstatter – wer entscheidet?

Newsletter 13/2021

Verzicht auf die mündliche Verhandlung?

Newsletter 15/2021

Ermessensentscheidungen des Finanzamtes – was prüft das Finanzgericht?

2022

Newsletter 1/2022

Der gesetzliche Richter - Oder: Wer ist eigentlich im Finanzgericht zuständig? Und warum?

Newsletter 3/2022

Achtung Änderungsbescheid! – Handlungsoptionen bei Änderung von Bescheiden im Klageverfahren

Newsletter 4/2022

Ausbildungskosten: Werbungskosten oder Sonderausgaben?

Newsletter 5/2022

Vertretungszwang vor dem Finanzgericht?

Newsletter 6/2022 Mai

Sprungklage - Ohne Einspruchsverfahren direkt zum Finanzgericht?

Newsletter 7/2022

Die Untätigkeitsklage - oder: Was tun, wenn das Finanzamt nichts von sich hören lässt…?

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Neues aus dem
Niedersächsischen
Finanzgericht

  Bildrechte: Nieders. Finanzgericht
Studentisches Praktikum am Niedersächsischen Finanzgericht

Melisa Buzludag, Hannoveranerin und Studentin an der Uni Mannheim im vierten Semester, absolviert derzeit ein vierwöchiges studentisches Praktikum am Niedersächsischen Finanzgericht. Der von Frau Buzludag gewählte Studiengang mit dem zunächst angestrebten Abschluss als Unternehmensjuristin LL.B kombiniert wirtschaftswissenschaftliche und rechtswissenschaftliche Bereiche. Das studienbegleitende Praktikum am Finanzgericht lag sozusagen auf der Hand, denn Frau Buzludag interessiert sich besonders für das Steuerrecht und hat im wirtschaftswissenschaftlichen Bereich den Schwerpunkt Tax and Accounting gewählt. Im Rahmen ihres Praktikums hat Melisa Buzludag die Möglichkeit, die gerichtliche Arbeitsweise kennen zu lernen sowie an mündlichen Verhandlungen der Senate und der Einzelrichter teilzunehmen und nutzt diese Möglichkeiten mit viel Interesse. Das Fazit der Studentin zu ihrem Praktikum fällt durchweg positiv aus: „Durch die praktische Anwendung des im Studium Erlernten verstehe ich die Zusammenhänge besser und die Anwendung des Steuerrechts macht Spaß. Die Klageverfahren sind interessant und die Richterinnen und Richter im Gericht sind immer offen für meine Fragen.“, so Frau Buzludag.

Neben der Rechtswissenschaft im Allgemeinen und dem Steuerrecht in Besonderen hat Melisa Buzludag vielfältige Interessen. Sie spielt Geige, Gitarre, Ukulele, Piano, Basketball und beschäftigt sich mit der Fotografie und dem Zeichnen.

Wir freuen uns über das Interesse an der finanzgerichtlichen Arbeit und Rechtsprechung und wünschen „unserer“ Praktikantin weiterhin viel Spaß am Steuerrecht und viel Erfolg im Studium.

  Bildrechte: Nds. Finanzverwaltung
Interview mit den Pressesprechern des Finanzgerichts in "update!"

Unter dem Titel "'Unser' Finanzgericht" (ausdrücklich in Anführungsstrichen) ist in der aktuellen Ausgabe 2/2022 von "update!", der landesweiten Hauszeitschrift der Niedersächsischen Finanzverwaltung ein Interview mit den Pressesprechern des Finanzgerichts Andrea-Alexandra Bartels und Dr. Thomas Keß erschienen. Thorn-Alexander Böhlke und Frank Schmitz, die für die Zeitschrift zuständigen Redakteure des Landesamtes für Steuern Niedersachsen, haben zahlreiche Fragen rund um das Niedersächsische Finanzgericht gestellt, die auch außerhalb der Finanzverwaltung interessant sein könnten. Daher kann das Interview hier abgerufen werden.

Geimpft ist sicher   Bildrechte: ms

Artikel-Informationen

erstellt am:
20.07.2022
zuletzt aktualisiert am:
21.07.2022

Ansprechpartner/in:
Frau Andrea-Alexandra Bartels

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