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Newsletter 1/2021 vom 20. Januar 2021

Rechtsprechung des
Niedersächsischen
Finanzgerichts

Az. 13 K 223/17 - Urteil vom 29.09.2020
Zuteilung von Aktien im Rahmen eines Spin Off

Der 13. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat mit seinem Urteil vom 29. September 2020 entschieden, dass die Zuteilung von Aktien im Zuge einer Umstrukturierung der Hewlett-Packard Company die Voraussetzungen einer Abspaltung im Sinne des § 20 Abs. 4a Satz 7 des Einkommensteuergesetztes (EStG) erfüllt. Damit kommt es im Zeitpunkt der Aktienzuteilung nicht zu einer nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG steuerpflichtigen Sachausschüttung.

In dem vom 13. Senat zu entscheidenden Sachverhalt hielt der Kläger Aktien der Hewlett-Packard Company (HPC) in seinem Depot, die er bereits vor dem 31.12.2007 erworben hatte. Im Streitjahr 2015 änderte die HPC ihren Namen in HP Inc. (HPI). Anschließend übertrug die HPI ihr Unternehmenskundengeschäft im Wege eines Spin-off auf die bereits zuvor gegründete Tochtergesellschaft Hewlett-Packard Enterprise Company (HPE). Die Aktionäre der HPC erhielten für eine alte Aktie der HPC eine Aktie der umbenannten HPI und zusätzlich eine Aktie der HPE. Die depotführende Bank erfasste die Zuteilung der zusätzlichen Aktien an der HPE als steuerpflichtige Sachausschüttung und behielt Kapitalertragsteuer ein. Das beklagte Finanzamt behandelte den Vorgang unter Hinweis auf die BMF-Schreiben vom 18.01.2016 (BStBl I 2016, Seite 85) und vom 20.03.2017 (BStBl I 2017, Seite 431) als steuerpflichtige Sachausschüttung im Sinne von § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG.

Der 13. Senat verneinte entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung die Steuerpflicht der Aktienzuteilung.

Entscheidend sei, dass die in der Anteilszuteilung liegende Sachausschüttung im Streitfall deshalb nicht zu besteuern sei, weil über § 20 Abs. 4a Satz 7 i.V.m. Satz 1 EStG eine (anteilige) Fortführung der Anschaffungskosten fingiert werde. Die ausschließlich Abspaltungen betreffende Vorschrift des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG verdränge als speziellere gesetzliche Regelung (lex specialis) die allgemeinere Regelung des § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG. Der Begriff der Abspaltung i.S.v. § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG sei nach Ansicht des erkennenden Senats (entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung - BMF-Schreiben vom 18.01.2016 - BStBl I 2016, 85) extensiv im Sinne einer typusorientierten Gesamtbetrachtung auszulegen. Ausgehend von einem solchen - weiten ‑ Auslegungsverständnis lägen im Streitfall die Voraussetzungen einer Abspaltung vor.

Das Niedersächsische Finanzgericht folgt mit dieser Entscheidung der Rechtsprechung anderer Finanzgerichte und hat die Revision im Hinblick auf die bereits beim Bundesfinanzhof zu dieser Rechtsfrage anhängigen Verfahren zugelassen.

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Weitere Entscheidungen
des Niedersächsischen
Finanzgerichts


Az. 1 K 99/19 – Urteil vom 11.06.2020
Realsplitting bei unentgeltlicher Wohnungsgestellung als Unterhaltsleistung

Haben dauernd getrennt lebende Ehegatten einen Barunterhalt vereinbart, auf den eine unentgeltliche Wohnungsgestellung Anrechnung findet, so kommt ein Sonderausgaben-abzug im Wege des Realsplitting nur in Höhe dieser Anrechnung nicht aber in Höhe des Mietwerts der Wohnung in Betracht.

Revision eingelegt – BFH-Az.: X R 33/20
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Az. 1 K 10038/15 – Urteil vom 09.07.2020
Ausfall von Gesellschafterdarlehen im Rahmen der Tonnagebesteuerung

Fällt die Forderung eines Kommanditisten aus einem Gesellschafterdarlehen oder einer typisch stillen Beteiligung wegen Vermögenslosigkeit der KG aus, so ist der entstehende Verlust im Rahmen der Tonnagebesteuerung mit dem pauschal nach § 5a Abs. 1 EStG ermittelten Gewinn abgegolten.

Revision eingelegt – BFH-Az.: IV R 20/20
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Az. 11 K 21/20 – Urteil vom 29.10.2020
Umsatzsteuerrechtliche Konsequenzen aus unentgeltlichen Wärmelieferungen an Dritte durch den Betreiber einer Biogasanlage

1. Beabsichtigt der Betreiber einer Biogasanlage bei deren Errichtung, die anfallende Wärme unentgeltlich an Dritte abzugeben, führen die Wärmelieferungen nicht zu unentgeltlichen Wertabgaben, weil der Betreiber insoweit nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.

2. Vereinbart der Betreiber mit den Abnehmern der Wärme lediglich einen symbolischen Preis, so wird durch eine nachträglich vereinbarte Preiserhöhung die Unentgeltlichkeit nicht tangiert.

3. Die Kürzung der abzugsfähigen Vorsteuer nach § 15 Abs. 4 UStG kann nach der Marktwertmethode unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Preise für Strom und Wärme vorgenommen werden.

4. Eine Berichtigung der Vorsteuer nach § 15 a UStG hinsichtlich der ursprünglich zu Unrecht für die Errichtungsaufwendungen in Anspruch genommenen Vorsteuerbeträge scheidet aus.

Revision eingelegt – BFH-Az.: V R 45/20
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Az. 11 K 22/20 – Urteil vom 29.10.2020
Umsatzsteuerrechtliche Konsequenzen aus unentgeltlichen Wärmelieferungen an Dritte durch den Betreiber einer Biogasanlage

1. Beabsichtigt der Betreiber einer Biogasanlage bei deren Errichtung, die anfallende Wärme unentgeltlich an Dritte abzugeben, führen die Wärmelieferungen nicht zu unentgeltlichen Wertabgaben, weil der Betreiber insoweit nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.

2. Die Kürzung der abzugsfähigen Vorsteuer nach § 15 Abs. 4 UStG kann nach der Marktwertmethode unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Preise für Strom und Wärme vorgenommen werden.

3. Eine Berichtigung der Vorsteuer nach § 15 a UStG hinsichtlich der ursprünglich zu Unrecht für die Errichtungsaufwendungen in Anspruch genommenen Vorsteuerbeträge scheidet aus.

Revision eingelegt – BFH-Az.: V R 46/20
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Az. 11 K 23/20 – Urteil vom 29.10.2020
Umsatzsteuerrechtliche Konsequenzen aus unentgeltlichen Wärmelieferungen an Dritte durch den Betreiber einer Biogasanlage

1. Beabsichtigt der Betreiber einer Biogasanlage bei deren Errichtung, die anfallende Wärme unentgeltlich an Dritte abzugeben, führen die Wärmelieferungen nicht zu unentgeltlichen Wertabgaben, weil der Betreibe insoweit nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.

2. Die Kürzung der abzugsfähigen Vorsteuer nach § 15 Abs. 4 UStG kann nach der Marktwertmethode unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Preise für Strom und Wärme vorgenommen werden.

3. Die Berichtigung der Vorsteuer nach § 15 a UStG hinsichtlich der ursprünglich zu Unrecht für die Errichtungsaufwendungen in Anspruch genommenen Vorsteuerbeträge scheidet aus.

Revision eingelegt – BFH-Az.: V R 47/20
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Az. 13 K 201/17 – Urteil vom 29.10.2019
Eigentumswohnung mit Stellplatz in Tiefgarage

Nachträgliche Herstellungs- oder Anschaffungskosten, die nach Ende des Begünstigungszeitraums des § 7i EStG für denkmalgeschützte Gebäude entstehen, sind der AfA-Bemessungsgrundlage nach § 7 Abs. 4 und Abs. 5 EStG hinzuzurechnen.

Revision eingelegt – BFH-Az.: IX R 14/20
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Az.: 15 V 127/20 – Beschluss vom 21.12.2020
Der Inkasso-Service der Familienkasse (Recklinghausen) als richtiger Antragsgegner im Anordnungsverfahren wegen (vorläufiger) Einstellung der Vollstreckung

1. Bevor der Inkasso-Service der Familienkasse dem zuständigen Hauptzollamt als Vollstreckungsbehörde eine Rückstandsanzeige übermittelt hat, kann der Schuldner eines Anspruchs auf Erstattung zuviel gezahlten Kindergeldes beim Inkasso-Service die (vorläufige) Einstellung der Vollstreckung beantragen mit dem Ziel, dass kein Vollstreckungsersuchen an das Hauptzollamt gerichtet wird.

2. Begehrt der Schuldner im Wege eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 114 FGO), dass kein Vollstreckungsersuchen an das Hauptzollamt als Vollstreckungsbehörde gerichtet wird, ist der Inkasso-Service der Familienkasse der richtige Antragsgegner.

3. Zweifel daran, ob der Vorstand der Bundesagentur für Arbeit in zulässiger Weise durch einen Beschluss die Zuständigkeit für Entscheidungen im Erhebungsverfahren betreffend den Familienleistungsausgleich dem Inkasso-Service übertragen hat, begründen in einem auf (vorläufige) Einstellung der Vollstreckung gerichteten Anordnungsverfahren (§ 114 FGO) nicht ohne Weiteres einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund.

Beschwerde zugelassen – vorläufig nicht rechtskräftig

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Die Volltexte der genannten Entscheidungen sowie weitere Entscheidungen des Niedersächsischen Finanzgerichts ab dem 1. Januar 2000 können Sie auf dem Niedersächsischen Landesjustizportal abrufen.

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Gut zu wissen


Aussetzung der Vollziehung erst beim Finanzamt beantragen

Wird gegen einen Steuerbescheid Einspruch oder Klage erhoben, muss man die streitige Steuer trotzdem bezahlen. Kann oder will man den vom Finanzamt geforderten Betrag nicht oder nicht sofort leisten, besteht die Möglichkeit, beim Finanzgericht einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zu stellen. Dieser ist erfolgreich, wenn das Gericht im Rahmen einer überschlägigen Prüfung der Antragsbegründung und der ihm vorliegenden Unterlagen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheids hat.

Damit ein solcher Antrag auf Aussetzung der Vollziehung beim Finanzgericht aber überhaupt zulässig ist, verlangt das Gesetz, dass das Finanzamt zuvor einen entsprechenden Antrag „ganz oder teilweise abgelehnt hat“ (§ 69 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung). Grundsätzlich muss man also erst einmal bei dem Finanzamt, das den umstrittenen Steuerbescheid erlassen hat, sein „Glück“ versuchen, bevor man sich an das Finanzgericht wendet.

„Selbst Angehörige der beratenden Berufe machen sehr häufig den Fehler, sich wegen einer Aussetzung der Vollziehung direkt an das Finanzgericht zu wenden, ohne vorher einen Antrag beim Finanzamt gestellt zu haben. Das Gesetz lässt uns in diesen Fällen regelmäßig keine andere Möglichkeit, als den Antrag alleine aus diesem Grund abzulehnen“, erläutert Ronny Vorbeck, Richter im 3. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts, „In derartigen Fällen muss zudem der Steuerpflichtige die Gerichtskosten für das unzulässige Antragsverfahren tragen“.

Wichtig ist, dass das Finanzamt den vorherigen Antrag tatsächlich abgelehnt hat. Wurde beim Finanzamt ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung für die Dauer des Einspruchsverfahrens gestellt und von diesem gewährt, fehlt es an dieser Voraussetzung. Es ist dann für das Klageverfahren erneut ein Antrag beim Finanzamt zu stellen, bevor man das Finanzgericht anruft.

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Neues aus dem
Niedersächsischen
Finanzgericht


Corona-Maßnahme im Niedersächsischen Finanzgericht

Der Sitzungsbetrieb im Niedersächsischen Finanzgericht läuft auch in Zeiten der Einschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie weiter. Zu diesem Zweck wurden zahlreiche Maßnahmen getroffen, die eine Verbreitung des Virus im Fachgerichtszentrum verhindern. Insbesondere sind die Sitzungssäle des Niedersächsischen Finanzgerichts mit einer Belüftungsanlage mit Frischluftzufuhr ausgestattet. Die Luft wird mehrmals stündlich ausgetauscht. Soweit möglich wird zusätzlich gelüftet. Die Aerosolbelastung ist dadurch gering.

Informationen zu weiteren Maßnahmen des Finanzgerichts und zu Verhaltensregeln finden Sie auf unserer Website.

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Neue Richterin am Niedersächsischen Finanzgericht

Am 18. Januar 2021 hat Frau Anna Sutorius ihren Dienst am Niedersächsischen Finanzgericht angetreten. Frau Sutorius war nach dualem Studium zur Dipl.-Finanzwirtin (FH), anschließendem Studium der Rechtswissenschaften und Referendariat sowie langjähriger - auch studienbegleitender - Tätigkeit in der Finanzverwaltung zunächst als Rechtsanwältin in einer überregional tätigen Rechtsanwaltskanzlei tätig. 2017 wechselte sie in die ordentliche Gerichtsbarkeit, zunächst als Staatsanwältin, später als Richterin. Sie gehörte am Landgericht Hildesheim der Wirtschaftsstraf- und Strafvollstreckungskammer sowie zuletzt auch einer allgemeinen großen Strafkammer an. Von dort wechselte sie an das Niedersächsische Finanzgericht und ist hier Mitglied des 11. Senates, der überwiegend für Rechtsstreitigkeiten aus dem Bereich des Umsatzsteuerrechts zuständig ist.

Anna Sutorius   Bildrechte: Anna Sutorius
Anna Sutorius
Schöne Aussicht auf Niedersächsisch   Bildrechte: StK

Artikel-Informationen

erstellt am:
20.01.2021
zuletzt aktualisiert am:
21.01.2021

Ansprechpartner/in:
Frau Andrea-Alexandra Bartels

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