Hinweise zum finanzgerichtlichen Verfahren
Aufgaben, Struktur und Besetzung, Instanzenzug
Die nachfolgenden Hinweise geben einen Überblick über die Grundlagen des finanzgerichtlichen Verfahrens. Sie sollen als Hilfestellung für die Bürgerinnen und Bürger dienen, die sich bereits an das Finanzgericht gewandt haben oder dies beabsichtigen. Die Erläuterungen erheben jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit und ersetzen im jeweiligen Einzelfall nicht die fachliche Beratung durch eine Rechtsanwältin / einen Rechtsanwalt oder eine Steuerberaterin / einen Steuerberater.
1. Aufgaben
Das Niedersächsische Finanzgericht mit Sitz in der Landeshauptstadt Hannover ist zuständig in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über Abgabenangelegenheiten, § 33 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Finanzgerichtsordnung – FGO –. Es gewährt mithin Rechtsschutz in Steuer- und Kindergeldangelegenheiten. Die Bürgerinnen und Bürger können sich an das Finanzgericht wenden, wenn sie meinen, ihr Steuerbescheid sei unrichtig oder die Familienkasse verwehre ihnen zu Unrecht Kindergeld.
Beklagter im finanzgerichtlichen Verfahren ist daher regelmäßig ein Finanzamt oder eine Familienkasse. Örtlich zuständig ist das Niedersächsische Finanzgericht für alle Verfahren, die sich gegen ein niedersächsisches Finanzamt richten. In Kindergeldsachen ergibt sich die örtliche Zuständigkeit des niedersächsischen Finanzgerichts dann, wenn der Kindergeldberechtigte seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Niedersachsen hat (§ 38 FGO).
Darüber hinaus ist das Finanzgericht zuständig für öffentlich-rechtliche und berufsrechtliche Streitigkeiten nach dem Steuerberatungsgesetz im Zusammenhang mit dem Zugang zu oder dem Ausschluss von den steuerberatenden Berufen, § 33 Abs. 1 Nr. 3 FGO.
Für Zoll- und Verbrauchsteuersachen besteht auf Grund eines Staatsvertrags zwischen den Bundesländern Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein ein gemeinsamer Senat beim Finanzgericht Hamburg. Für Klagen gegen die Festsetzung der Kfz-Steuer ist das Niedersächsische Finanzgericht zuständig, auch wenn zu Beginn des Jahres 2014 die Verwaltung auf den Bund übergegangen ist und durch die Hauptzollämter wahrgenommen wird.
Für Strafen oder Bußgelder wegen der Begehung von Steuerstraftaten (insbesondere Steuerhinterziehung) oder Steuerordnungswidrigkeiten sind nicht die Finanzgerichte, sondern die Strafverfolgungsorgane und die Strafgerichte (z.B. Amts- oder Landgericht) zuständig, §§ 385 ff. Abgabenordnung – AO -.
Amtshaftungs- und Schadenersatzansprüche gegen die Finanzbehörden können ebenfalls nicht vor den Finanzgerichten, sondern nur vor den Zivilgerichten geltend gemacht werden. Dies ergibt sich aus § 839 des Bürgerlichen Gesetzbuches – BGB – in Verbindung mit Artikel 34 Grundgesetz – GG.
Im Einzelnen besteht die Zuständigkeit des niedersächsischen Finanzgerichts daher für Streitigkeiten über
- Steuerbescheide (z.B. Einkommensteuer, Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer, Grunderwerbsteuer, Kfz-Steuer)
- Haftungs- und Duldungsbescheide (§ 191 der Abgabenordnung)
- Feststellungsbescheide (z.B. Gewerbesteuermessbetrag, Verlustfeststellung, einheitliche und gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen bei Personengesellschaften)
- Vollstreckungsmaßnahmen der Finanzämter
- Berufsrechtliche Streitigkeiten in Steuerberatersachen (z.B. Prüfungsentscheidungen, Widerruf der Bestellung, Untersagung der Hilfeleistung in Steuersachen)
- Kindergeld
Demgegenüber ist das Niedersächsischen Finanzgericht nicht zuständig für Streitigkeiten über
- Kirchensteuer
- Zoll- und Verbrauchsteuersachen (Einfuhr- und Ausfuhrabgaben sowie z.B. Energiesteuern, Steuern auf Alkohol, Kaffee, Tabak)
- Strafen und Bußgelder bei Steuerstraftaten / Steuerordnungswidrigkeiten
- Amtshaftungs- und Schadensersatzansprüche gegen die Finanzbehörden
2. Struktur und Besetzung
Das Finanzgericht besteht wie die anderen oberen Landesgerichte aus Senaten. Das Niedersächsische Finanzgericht verfügt derzeit über 15 Senate.
Die Senate entscheiden über die Verfahren grundsätzlich in einer Besetzung aus drei Berufsrichterinnen oder -richtern (davon eine Vorsitzende bzw. ein Vorsitzender und zwei Beisitzenden) sowie zwei ehrenamtlichen Richterinnen bzw. Richtern. Die Berufsrichter waren vor ihrer Tätigkeit im Finanzgericht zumeist mehrere Jahre in der Finanzverwaltung, einer anderen Gerichtsbarkeit oder in einem rechts- und steuerberatenden Beruf tätig. Die ehrenamtlichen Richter werden auf die Dauer von vier Jahren von einem Wahlausschuss bestimmt. Die Wahl erfolgt nach Vorschlagslisten, die der Präsident des Finanzgerichts nach Anhörung der Berufsvertretungen aufzustellen hat.
Neben der Entscheidung durch den kompletten Senat in der genannten Besetzung gibt es auch die Möglichkeit der Entscheidung durch ein einzelnes Mitglied des Senates. Das nach der Geschäftsverteilung zuständige Senatsmitglied (§ 21 g Abs. 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes – GVG -) kann einerseits als sog. konsentierter Einzelrichter gem. § 79a Abs. 3, 4 FGO im Einverständnis mit allen Prozessbeteiligten (Kläger, Finanzamt und evtl. Beigeladene) über die Streitsache entscheiden. Andererseits kann in Fällen ohne besondere Schwierigkeiten in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht und ohne grundsätzliche Bedeutung der Senat den Rechtsstreit durch Beschluss auf eines seiner Mitglieder als Einzelrichter/in übertragen, § 6 FGO.
Die Zuständigkeitsverteilung zwischen den Senaten folgt grundsätzlich dem Regionalprinzip, d. h. die Senate sind für alle Verfahren gegen die ihnen zugewiesenen Finanzbehörden zuständig. Daneben ist einigen Senaten ein sog. besonderes Arbeitsgebiet zugewiesen, innerhalb dessen diese Senate für das gesamte Land zuständig sind. Derartige Spezialzuständigkeiten bestehen z.B. für Erbschaftsteuer, Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer, Grunderwerbsteuer, Haftung, Kraftfahrzeugsteuer und Vollstreckung.
Für Zoll- und Verbrauchsteuersachen besteht bereits seit 1953 bei dem Finanzgericht Hamburg ein gemeinsamer Senat, der auf staatsvertraglicher Grundlage auch für das Land Niedersachsen tätig wird.
3. Instanzenzug
Als einzige der fünf Gerichtsbarkeiten weist sie die Besonderheit eines lediglich zweistufigen Aufbaus auf, in dem die Finanzgerichte - als obere Landesgerichte - die erste und einzige Tatsacheninstanz bilden. Im Unterschied zu einigen anderen Flächenstaaten hat Niedersachsen nur ein - für das ganze Land zuständiges - Finanzgericht errichtet und auch auf die Einrichtung von Außensenaten verzichtet. Das einzige Finanzgericht in Niedersachsen ist daher das Niedersächsische Finanzgericht mit Sitz in Hannover.
Das Niedersächsische Finanzgericht entscheidet also als oberes Landesgericht in der ersten Instanz. Dies ist die einzige Tatsacheninstanz. Eine Berufungsinstanz gibt es - anders als z.B. bei den Zivilgerichten - nicht.
Die zweite Instanz im finanzgerichtlichen Verfahren ist der Bundesfinanzhof (BFH) mit Sitz in München. Er ist zuständig
- für die Revision (gegen Urteile des Niedersächsischen Finanzgerichts),
- für Beschwerden (z.B. gegen die Ablehnung der Gewährung von Akteneinsicht, gegen die Anordnung der Aussetzung / des Ruhens des Verfahrens, gegen die Festsetzung von Ordnungsgeld)
- für die Beschwerden wegen Nichtzulassung der Revision gegen Entscheidungen des Finanzgerichts.
- für Entschädigungsklagen wegen überlanger Verfahrensdauer.