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Newsletter 7/2022 vom 21. Juni 2022

Entscheidungen des
Niedersächsischen
Finanzgerichts

Az. 9 K 114/21 – Urteil vom 17.11.2021

Die Weiterbildung zum Facharzt ist kein Teil einer einheitlichen erstmaligen Berufsausbildung

Bei einer im Anschluss an das Medizinstudium absolvierten Facharztweiterbildung handelt es sich lediglich um eine Zweitausbildung (Weiterbildung). Die Erstausbildung des Kindes endet mit Abschluss des Medizinstudiums durch Ablegung der ärztlichen Prüfung.

Das Berufsziel des Kindes ist nicht das alleinige Entscheidungskriterium dafür, ob es sich noch um eine Erstausbildung handelt

Die Ausbildung im Rahmen der Facharztweiterbildung tritt hinter die Berufstätigkeit des Kindes zurück. Die Facharztweiterbildung stellt keinen Teil einer einheitlichen Berufsausbildung des Kindes dar, da die Weiterbildung nur Nebensache ist.

Bei der Weiterbildung zum Facharzt handelt es sich nicht um ein Ausbildungsdienstverhältnis, da das Kind seine Vergütung für die Tätigkeit als Arzt in Weiterbildung vorwiegend für die von ihm erbrachte Arbeitsleistung erhält und nicht als Vergütung für die Teilnahme an einer Berufsausbildungsmaßnahme.

Revision eingelegt – BFH-Az.: III R 40/21
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Az. 11 K 196/21 – Urteil vom 05.05.2022

Vorsteuerabzug bei einem Durchschnittssatzversteuerer für Eingangsleistungen, die verwendet werden sollen für Ausgangsumsätze, die wegen des § 24 Abs. 1 UStG n. F. der Regelbeteuerung unterliegen werden

Ein Durchschnittssatzversteuerer, der Eingangsleistungen unter der Geltung der Durchschnittssatzbesteuerung bezieht, kann trotz § 24 Abs. 1 Satz 4 UStG die Vorsteuer geltend machen, wenn er die bezogenen Leistungen für Umsätze verwenden will, die wegen der Einfügung der Grenze von 600.000 € der Regelbesteuerung unterliegen werden.

Revision eingelegt – BFH-Az.: XI R 14/22
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Die Volltexte der genannten Entscheidungen sowie weitere Entscheidungen des Niedersächsischen Finanzgerichts ab dem 1. Januar 2000 können Sie auf dem Niedersächsischen Landesjustizportal abrufen.

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Gut zu wissen

Die Untätigkeitsklage - oder: Was tun, wenn das Finanzamt nichts von sich hören lässt…?

Fühlt sich ein Bürger durch einen Bescheid des Finanzamts (oder der Familienkasse) rechtswidrig behandelt, kann er regelmäßig nicht sofort beim Finanzgericht klagen.

Er muss sich gegen den Bescheid erst mit einem Einspruch bei der Behörde selbst wehren.

Die Behörde ist dann verpflichtet, innerhalb eines angemessenen Zeitraums über den Einspruch zu entscheiden.

Als angemessen sieht das Gesetz in § 46 der Finanzgerichtsordnung einen Zeitraum von bis zu einem halben Jahr nach der Einlegung des Einspruchs an.

In besonders gelagerten Einzelfällen kann aber auch bereits ein kürzerer Zeitraum als unangemessen einzuordnen sein.

Das wird man annehmen können, wenn selbst ein halbjähriges Warten auf die Einspruchsentscheidung für den betroffenen Bürger aufgrund seiner persönlichen oder wirtschafltichen Situation zu unverhältnismäßigen Nachteilen führen würde.

Regelmäßig kommen die Finanzämter und Familienkassen ihrer Verpflichtung zur Einspruchsentscheidung innerhalb einer angemessenen Zeit nach.

Ist das jedoch nicht der Fall hat der betroffene Bürger die Möglichkeit, eine sogenannten Untätigkeitsklage zu erheben.

Neben dem Zeitablauf setzt dies jedoch weiterhin voraus, dass kein „zureichender Grund“ dafür vorliegt, warum die Entscheidung über den Einspruch bisher noch nicht möglich gewesen ist.

Solche Gründe liegen vor, wenn das Finanzamt noch umfangreiche Sachverhaltsermittlungen anstellen muss oder wenn es Ermittlungen einer Betriebsprüfung oder ein beim Bundesfinanzhof anhängiges „Muster-"Verfahren abwarten möchte.

Das Amt muss den Bürger aber ausdrücklich über diese Gründe ins Bild setzen. Das muss nicht notwendig schriftlich geschehen. Die Mitteilung kann auch formlos geschehen.

Wichtig ist auch, dass der betroffene Bürger selbst seinen Mitwirkungspflichten nachgekommen ist und auf eine evtl. Anforderung der Behörde, etwa zur Vorlage von Unterlagen, reagiert hat.

Was aber, wenn der Bürger nicht erst auf die Entscheidung über seinen Einspruch wartet, sondern bereits auf einen beantragten Bescheid?

Das Finanzamt erlässt also beispielsweise den begehrten Änderungsbescheid nicht, die Familienkasse erlässt nicht die gewünschte Kindergeldfestsetzung.

In diesem Fall muss sich der Bürger zunächst noch einmal mit einem „Untätigkeitseinspruch“ an die Behörde wenden.

Auch dieser setzt voraus, dass das Amt „ohne Mitteilung eines zureichenden Grunde nicht in angemessener Frist“ über den entsprechenden Antrag des Bürgers entschieden hat.

Jedenfalls nach einem halben Jahr des amtlichen Schweigens ist dieser Weg gangbar.

Passiert trotz den Untätigkeitseinspruchs immer noch nichts und es vergeht ohne eine Nachricht der Behörde ein weiteres halbes Jahr, dann kann - aufgrund dieser doppelten Untätigkeit - das Finanzgericht mit einer Untätigkeitsklage angerufen werden.

Um unnötige Rechtsstreitigkeit zu vermeiden, ist es sinnvoll, der Behörde vor der Erhebung einer Untätigkeitsklage eine letzte angemessene Frist (mindestens eine Woche) zur Entscheidung über den Antrag bzw. über den Einspruch zu setzen und darauf hinzuweisen, dass nach Ablauf der Frist die Untätigkeitsklage erhoben wird.

Das Finanzgericht entscheidet im Rahmen des Verfahrens über die Untätigkeitsklage regelmäßig in der Sache und ersetzt durch sein Urteil die ausstehenden Entscheidungen der Behörde.

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Neues aus dem
Niedersächsischen
Finanzgericht

  Bildrechte: Nds. FG
Finanzgericht beim „Tax Career Day“ der Universität Osnabrück

Am 8. Juni 2022 fand in den Räumlichkeiten der hannoverschen Niederlassung des Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmens KPMG ein „Tax Career Day“ statt, zu dem der Lehrstuhl für Steuerrecht der Universität Osnabrück von Prof. Dr. Steffen Lampert eingeladen hatte und an dem etwa 20 Studierende aus Osnabrück und Hannover teilnahmen.

Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern sollten dabei Einblicke in die beruflichen Möglichkeiten im Bereich des Steuerrechts gewinnen.

Zu diesem Zweck nahm - neben zwei Beratern der KPMG, StB Oliver Mattern und RA Falko Fiedler, zwei Vertretern des Landesamtes für Steuern Niedersachsen, Lutz Schimmelpfennig und Niklas König, und dem stellvertretenden Steuerabteilungsleiter der Nord/LB Nils König - mit RiFG Dr. Thomas Keß auch ein Vertreter des Niedersächsischen Finanzgerichts an der Veranstaltung teil und stellte sich und sein Arbeitsgebiet vor.

Die Arbeit in den verschiedenen steuerrechtlichen Berufen wurde zunächst anhand eines Falles dargestellt, der von Prof. Lampert auf der Grundlage einer BFH-Entscheidung (I R 16/18) vorbereitet worden war.

Dabei ging es um die steuerliche Behandlung von Zuwendungen einer Kapitalgesellschaft an eine von den Anteilseignern der Kapitalgesellschaft gegründeten und kontrollierten Stiftung.

Die Studierenden wurden zur Bearbeitung des Falls einer von zwei Gruppen zugeteilt. Während die eine Gruppe sich dem Fall aus der Perspektive von Beratung und Unternehmen näherte, analysierte die andere Gruppe ihn aus der Sichtweise des Finanzamts. Anschließend wurden die Überlegungen und Ergebnisse von den Studierenden vorgetragen.

Zum Abschluss stellte Dr. Keß mit Blick auf den bearbeiteten Fall dar, wie das Finanzgericht sich einer Streitsache nähert und im Laufe eines Klageverfahrens zu einer Entscheidung gelangt.

Die Veranstaltung endete mit Getränken, Häppchen und netten Gesprächen.

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Zwei Fäuste berühren sich. Geimpft sind wir stärker!   Bildrechte: ms

Artikel-Informationen

erstellt am:
21.06.2022

Ansprechpartner/in:
Frau Andrea-Alexandra Bartels

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