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Newsletter 4/2021 vom 21. April 2021

Rechtsprechung des
Niedersächsischen
Finanzgerichts


Die Anerkennung einer ausländischen Stiftung als gemeinnützig richtet sich alleine nach deutschem Recht

Der 6. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat sich in einem Gerichtsbescheid vom 4. Mai 2020 (6 K 53/18) mit den Anforderungen an eine Stiftung ausländischen Rechts befasst.

Klägerin war eine rechtsfähige Stiftung nach österreichischem Recht, die unter Anwendung des sog. Typenvergleichs nach den Feststellungen des Senates nach ihrer wirtschaftlichen und rechtlichen Struktur einem deutschen Körperschaftsteuersubjekt entspricht. Sie fällt damit in den Anwendungsbereich des § 2 Nr. 1 KStG, sodass im Streitfall das Verfahren wegen gesonderter Feststellung gem. § 60a Abs. 1 Satz 1 AO i.V. mit § 60a Abs. 2 Nr. 2 AO über die Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen nach den §§ 51, 59, 60 und 61 AO als Annexverfahren zur Körperschaftsteuer anzuwenden war.

Die Klägerin verfügte über Vermögen im Inland sowie in Österreich und war nach österreichischem Recht als gemeinnützig anerkannt. Nach ihrer Satzung ist Stiftungszweck die Förderung von Kunst und Kultur, insbesondere des politischen deutschsprachigen Kabaretts im Sinne des Lebenswerkes des Stifterehepaares. Nach den weiteren Bestimmungen der Satzung verfolgt die Stiftung mildtätige und gemeinnützige Ziele im Sinne der österreichischen Bundesabgabenordnung. Die Satzung der Klägerin entspricht nicht vollständig der Mustersatzung nach § § 60 Abs. 1 Satz 2 AO.

Nach dem Gerichtsbescheid des Niedersächsischen Finanzgerichts erfüllt die Satzung der Klägerin dennoch die Voraussetzungen der §§ 51, 59, 60 und 61 AO. Ausgangspunkt und Maßstab der Prüfung sei dabei allein das (innerstaatliche) deutsche Recht, unabhängig davon, dass die betreffende Körperschaft im Ausland ansässig ist. Die Bundesrepublik Deutschland sei auch aus Gründen des Unionsrechts - insbesondere der Grundfreiheiten - nicht verpflichtet, den Gemeinnützigkeitsstatus ausländischen Rechts anzuerkennen. Ausgangspunkt und Maßstab seien sonach allein § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 KStG i.V. mit §§ 52 ff. AO. Die Satzung der Klägerin müsse daher gem. § 60 Abs. 1 Satz 2 AO die in der Anlage 1 zur AO bezeichneten Festlegungen enthalten. Dabei sei bei der im Streitfall vorliegenden grenzüberschreitenden Gemeinnützigkeit im Anwendungsbereich der unionsrechtlichen Grundfreiheiten nach Auffassung des Gerichts jedoch zu berücksichtigen, dass ausländische Körperschaften typischerweise keine den Vorgaben des § 60 Abs. 1 Satz 2 AO entsprechende Satzung haben, sodass die vorgenannten Regelungen eine (mittelbare) Diskriminierung der ausländischen Körperschaften beinhalten würden, ohne dass hierfür eine Rechtfertigung bestünde. § 60 Abs. 1 Satz 2 AO müsse damit im Lichte der Grundfreiheiten einschränkend in der Weise ausgelegt werden, dass im Ergebnis auch eine nicht in deutscher Sprache abgefasste Satzung genüge, wenn diese materiell vergleichbare Festlegungen enthalte. Dies müsse zur Überzeugung des Senates auch dann gelten, wenn die Satzung zwar - wie im Streitfall - in deutscher Sprache abgefasst sei, aber von der Mustersatzung abweichende Formulierungen enthalte. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat der Senat in seiner Entscheidung festgestellt, dass das beklagte Finanzamt zum Erlass eines Feststellungsbescheides nach § 60a AO verpflichtet ist.

Der Senat hat die Revision zugelassen, da die Frage des Zusammenwirkens der Vorschriften anderer Staaten (hier der österreichischen Bundesabgabenordnung) mit den deutschen Vorschriften des Gemeinnützigkeitsrechts bei im Inland beschränkt steuerpflichtigen ausländischen Stiftungen bisher nicht höchstrichterlich entschieden sei.

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Weitere Entscheidungen
des Niedersächsischen
Finanzgerichts


6 K 279/17 – Urteil vom 21.07.2020
Zu den Voraussetzungen der Versagung des Betriebsausgabenabzugs nach § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG

Zahlungen von Bestechungsgeldern führen zur Anwendung des Betriebsausgabenabzugsverbots nach § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG

Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, BFH-Az.: XI B 42/20
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9 K 203/20 – Urteil vom 27.01.2021
Maßgebender Zeitpunkt bei Zustellung eines Verwaltungsakts mit Postzustellungsurkunde

Die Zustellung eines Verwaltungsakts im Wege der Ersatzzustellung durch Einlegung in den zu den Geschäftsräumen gehörenden Briefkasten des steuerlichen Beraters ist in dem Zeitpunkt bewirkt, der vom Zusteller auf der Postzustellungsurkunde vermerkt wurde. Für den Beginn der Rechtsbefehlsfrist ist der Zeitpunkt der tatsächlichen Zustellung und nicht der dritte Tag nach Aufgabe des Verwaltungsakts zur Post maßgebend. § 122 Abs. 2 2. HS AO findet in den Fällen einer förmlichen Zustellung nach § 3 VwZG keine Anwendung.

rechtskräftig
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11 K 80/16 (2. Rechtsgang) – Urteil vom 09.07.2020
Zur Ermittlung des Bedeutungsgehalts von Willenserklärungen bei schlüssigem Verhalten der Steuerpflichtigen

Für die Frage, ob zwischen Steuerpflichtigen durch schlüssiges Verhalten ein Vertrag geschlossen worden ist, ist auf die Gesamtumstände, die zum behaupteten Vertragsabschluss geführt haben, abzustellen. Die am Klageverfahren Beteiligten können hierzu auch förmlich vernommen werden.

rechtskräftig
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11 K 88/18 – Urteil vom 11.06.2020
Rechnungsberichtigung nach § 14 c Abs. 1 und 2 UStG

Zu den Voraussetzungen der Zustimmung des Finanzamts zur Rechnungskorrektur nach § 14 c Abs. 2 Satz 5 UStG

Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt
erledigt durch Beschluss des BFH v. 27.10.2020 - XI B 33/20:
teilweise Zurückverweisung, der 2. Rechtsgang ist noch offen
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Die Volltexte der genannten Entscheidungen sowie weitere Entscheidungen des Niedersächsischen Finanzgerichts ab dem 1. Januar 2000 können Sie auf dem Niedersächsischen Landesjustizportal abrufen.

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Gut zu wissen

Prozesskostenhilfe – isolierter Antrag vor Klageerhebung kann Gerichtskosten sparen!

Nach den Vorschriften über das finanzgerichtliche Verfahren erhält eine Partei, die Klage erheben will, auf einen entsprechenden Antrag Prozesskostenhilfe (PKH).

In der finanzgerichtlichen Praxis wird dabei häufig die Erhebung der Klage mit dem Antrag auf PKH verbunden.

Dies birgt jedoch ein nicht unerhebliches Kostenrisiko für den Kläger, denn Voraussetzung für die Bewilligung der PKH sind neben der Bedürftigkeit – die auf einem speziellen Vordruck nachzuweisen ist – hinreichende Erfolgsaussichten der Klage (§§ 142 FGO, 114 ZPO). Der Kläger kann jedoch bei Erhebung der Klage nicht immer zuverlässig beurteilen, ob das Gericht seiner Klage Erfolgsaussichten einräumt. Der (bedürftige) Kläger muss also trotz beantragter PKH die Kosten für die Erhebung der Klage zahlen, wenn das Gericht seiner Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg einräumt. Selbst bei einer Rücknahme seiner Klage fallen ihm noch die hälftigen Gerichtsgebühren zur Last.

Dieses Kostenrisiko kann durch einen "isolierten" Antrag auf PKH vermieden werden. Bei einem solchen wird zunächst keine Klage erhoben. Vielmehr wird dem Antrag auf die Bewilligung der Prozesskostenhilfe in diesem Fall der Entwurf der beabsichtigten Klage beigefügt. Der Kläger muss deutlich machen, dass derzeit die Klage zwar beabsichtigt ist, aber noch nicht eingereicht wird. Im Falle der Ablehnung der PKH sind noch keine Gerichtskosten angefallen.

Sofern das Gericht dem Antrag stattgibt und die Prozesskostenhilfe bewilligt, muss sodann die Klage erhoben werden. Da zu diesem Zeitpunkt regelmäßig die Klagefrist bereits abgelaufen sein wird, muss zugleich die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 FGO beantragt werden. Die dafür geltende Frist von zwei Wochen (nach Bewilligung der PKH) muss unbedingt einhalten werden!

Neues aus dem
Niedersächsischen
Finanzgericht


Vorsitzender Richter am Finanzgericht Andreas Lehmann in den Ruhestand verabschiedet

Mit Wirkung zum 31. März 2021 hat die Präsidentin des Finanzgerichts Petra Hager Herrn VRiFG Andreas Lehmann in den Ruhestand verabschiedet. VRiFG Lehmann war seit 1992 Richter am Niedersächsischen Finanzgericht und gehörte dort u.a. lange dem 11. Senat an. Seit 2009 war er Vorsitzender des 1. Senates mit dem besonderen Zuständigkeitsbereich „Feststellung der Einheitswerte und sonstige Feststellungen nach Maßgabe des Bewertungsgesetzes, Bodenschätzung, Vermögensteuer, Grundsteuermessbetrag, Abgabe von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben (Landwirtschaftskammerbeiträge)". "Im Namen des gesamten Niedersächsischen Finanzgerichts danke ich Andreas Lehmann für seine langjährige und wertvolle Tätigkeit im Dienste der Steuerrechtsprechung und wünsche ihm alles erdenklich Gute und viel Freude für seinen wohl verdienten Ruhestand", sagte Petra Hager.


Präsidentin des Finanzgerichts Petra Hager ernennt Ira Stark und Dr. Thilo Cöster zur Vorsitzenden Richterin bzw. zum Vorsitzenden Richter am Finanzgericht.

VRiin FG Ira Stark   Bildrechte: Nds. FG
VRiinFG Ira Stark

Frau VRi’in Ira Stark begann ihre steuerrechtliche Laufbahn in Baden-Württemberg mit der Ausbildung zur Dipl.-Finanzwirtin und anschließendem Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Konstanz. Nach Ende des Referendariats war sie zunächst in Düsseldorf als Rechtsanwältin bei einer großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft tätig, bis sie im September 2000 als Richterin an das Niedersächsische Finanzgerichts wechselte. Hier gehörte Frau Stark zunächst dem 8. Senat an, bevor sie ab dem Jahr 2011 dem 1. Senat mit dem besonderen Zuständigkeitsbereich „Feststellung der Einheitswerte und sonstige Feststellungen nach Maßgabe des Bewertungsgesetzes, Bodenschätzung, Vermögensteuer, Grundsteuermessbetrag, Abgabe von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben (Landwirtschaftskammerbeiträge)“ zugewiesen wurde. Danach war Frau Stark von Juni 2020 bis April 2021 im 10. Senat tätig, der u.a. für die Besteuerung von Körperschaften zuständig ist, und hat nunmehr zum 12. April 2021 den Vorsitz im 1. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts übernommen.

Frau VRi’inFG Stark ist langjähriges Mitglied im Deutschen Juristinnen Bund und seit Januar 2015 Gleichstellungsbeauftragte des Niedersächsischen Finanzgerichts bestellt. Seit Mitte 2016 arbeitet sie in Teilzeit.

Thilo Coester   Bildrechte: Nds. FG
VRiFG Dr. Thilo Coester mit der Präsidentin des Finanzgerichts Petra Hager

VRiFG Dr. Thilo Cöster war nach dem Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Göttingen und anschließender Promotion im Gesellschaftsrecht zunächst in der niedersächsischen Finanzverwaltung als Sachgebietsleiter sowie als Dozent an der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege des Landes Niedersachsen (Fachbereich Steuerverwaltung) tätig. Anfang 1999 legte Herr Dr. Cöster das Steuerberaterexamen ab und wechselte im September 1999 als Richter an das Niedersächsische Finanzgericht. Dort wurde er zunächst im 3. Senat tätig. Im Jahr 2002 war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an das Bundesverfassungsgericht abgeordnet. Anschließend war VRiFG Dr. Cöster im 14., 12., und 6. Senat tätig und war zuletzt erneut Mitglied des 14. Senates, der u.a. für Haftung einschließlich Lohnsteuerhaftung sowie Lohnsteuerpauschalierung und Lohnsteuerfestsetzung zuständig ist. Zum 12. April 2021 hat er den Vorsitz im 14. Senat übernommen.

VRiFG Dr. Cöster ist u.a. Mitautor des von Ulrich Koenig herausgegebenen Kommentars zur Abgabenordnung.

Dr. Aaron Kindich neuer Richter am Niedersächsischen Finanzgericht

Richter Aaron Kindich   Bildrechte: Nds. FG
Dr. Aaron Kindich

Dr. Aaron Kindich studierte an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster Rechtswissenschaften mit dem Schwerpunktbereich Steuerrecht. Nach seinem Referendariat im Bezirk des Oberlandesgerichts Oldenburg ergänzte er seine steuerrechtliche Ausbildung durch ein Masterstudium zum Internationalen und Europäischen Steuerrecht an der Universität Lund. Anschließend war er sechseinhalb Jahre als Rechtsanwalt für eine multidisziplinäre Partnerschaft in Hamburg tätig. In dieser Zeit fertigte er berufsbegleitend seine Promotion an der Universität Stuttgart-Hohenheim an und legte das Steuerberaterexamen ab. Herr Dr. Kindich ist seit dem 1. April 2021 dem u.a. für Grunderwerbsteuer zuständigen 7. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts zugewiesen

Nicht hängen lassen auf Niedersächsisch   Bildrechte: Nds. Staatskanzlei

Artikel-Informationen

erstellt am:
21.04.2021

Ansprechpartner/in:
Frau Andrea-Alexandra Bartels

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