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Newsletter 7/2021 vom 19. Mai 2021

Rechtsprechung des
Niedersächsischen
Finanzgerichts


Az. 5 K 168/17 – Urteil vom 07.01.2020
Zum inländischen Wohnsitz als Voraussetzung für die Festsetzung von Kindergeld für Auslandsstudierende

Die Aufgabe des Wohnsitzes im Elternhaus erfolgt jedenfalls bei einem zunächst nur für ein Jahr geplanten, dann aber verlängerten Auslandsstudium erst nach Ablauf des ersten Studienjahres.

Revision eingelegt – BFH-Az. noch nicht bekannt
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Az. 7 K 263/19 – Urteil vom 12.03.2020
Grunderwerbsteuerpflicht bei Treuhandverhältnis

Die Übertragung eines Grundstücks vom Treugeber auf den Treunehmer kann der Grunderwerbsteuer unterliegen.

rechtskräftig
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Az. 7 K 1/21 – Urteil vom 10.03.2021
Zuständigkeit für die Prüfung des Steuerabzugs nach § 50a EStG im Rahmen der Außenprüfung

Das Bundeszentralamt für Steuern ist für die Prüfung des Steuerabzugs nach § 50a EStG im Rahmen der Außenprüfung sachlich gemäß §§ 195, 16 AO i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 FVG zuständig.

Revision eingelegt – BFH-Az.: I R 21/21
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Az. 9 K 51/19 – Urteil vom 09.12.2020
Feststellungsklage beim Finanzgericht zur Verfolgung eines Widerspruchs eines Insolvenzschuldners gegen eine Insolvenzforderung des Finanzamts

1. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens vor Klageerhebung und noch während des Laufes der Klagefrist hat zur Folge, dass die laufenden Klagefristen gemäß § 240 der Zivilprozessordnung - ZPO - analog für die Dauer des Insolvenzverfahrens unterbrochen sind. Noch innerhalb der Klagefrist - aber nach Insolvenzeröffnung - beim FG eingehende Anfechtungsklagen des Klägers und Insolvenzschuldners sind mangels Prozessführungsbefugnis (unheilbar) unzulässig (im Streitfall Absendung der Klageschrift vor, aber Eingang beim FG nach Insolvenzeröffnung).

2. Widerspricht der Insolvenzschuldner der Forderungsanmeldung des Finanzamts (§ 174 InsO) gemäß §§ 178, 184 InsO, liegen Steuerbescheide als vollstreckbare Schuldtitel vor, so dass nach § 184 Abs. 2 Satz 1 InsO der Insolvenzschuldner nach seinem Widerspruch das Verfahren – soweit es bereits anhängig war - aufnehmen muss. Eine Aufnahme eines unterbrochenen Verfahrens kommt aber nur in Betracht, wenn zulässig erhobene Klagen anhängig sind.

3. In der vorstehenden Verfahrenssituation kann der Insolvenzschuldner seine Widersprüche nur durch Einlegen des jeweils zulässigen Rechtsmittels – hier der Klage – verfolgen (vgl. Ministerium der Finanzen des Landes Sachsen-Anhalt, Schreiben vom 28. April 2017 44-S 0550-76, juris). Dabei handelt es sich dann aber nicht um eine Anfechtungsklage, sondern um eine Feststellungsklage gerichtet auf die Feststellung, dass die Widersprüche rechtmäßig sind.

4. Da der Kläger in der vorstehenden Verfahrenssituation keine Möglichkeit mehr hatte, sein Begehren durch Anfechtungsklagen zu verfolgen, ist vorliegend der Grundsatz der Subsidiarität gewahrt und es besteht ein Rechtsschutzinteresse an der begehrten Feststellung.

5. Einnahmen- und Ausgabenseiten sind getrennt zu betrachten. Das Einkommensteuerrecht kennt grds. kein Korrespondenzprinzip, demzufolge der Empfänger einer Leistung nicht zu versteuern braucht, was der Geber nicht abziehen darf und – umgekehrt – der Empfänger versteuern muss, was der Leistende von der Bemessungsgrundlage abziehen darf. Eine derart unbedingte wechselseitige Abhängigkeit wäre mit dem Grundsatz der Individualbesteuerung unvereinbar. Geldzuflüsse sind daher auch dann beim Empfänger als Betriebseinnahmen zu erfassen, wenn sie beim Leistungsempfänger nur teilweise zum Abzug zugelassen sind (etwa gemäß § 4 Abs. 5 EStG; im Streitfall: Pauschale Kürzungen der Betriebsausgaben bei den Empfängern wegen Zweifeln an den ausgestellten Rechnungen).

rechtskräftig
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Az. 9 K 116/19 – Urteil vom 24.02.2021
Kaufpreisaufteilung bei der Veräußerung eines teilweise gewerblich genutzten Grundstücks

1. Kann der Zugang einer Einspruchsentscheidung beim vormaligen Empfangsbevollmächtigten der Kläger nicht festgestellt werden, tritt gleichwohl eine Bekanntgabeheilung in dem Zeitpunkt ein, in dem der neue Empfangsbevollmächtigte einen Mehrabdruck der Einspruchsentscheidung erhält. Dem steht nicht entgegen, dass der handelnde Finanzbeamte bei Übersendung einer Kopie oder des Abdrucks sich der Bekanntgabe- bzw. Heilungswirkung dieser Übersendung nicht im Klaren war, weil er von der Wirksamkeit der ursprünglich vorgesehenen Bekanntgabe ausging.

2. Einer in einem notariellen Grundstückskaufvertrag für ein EFH vorgenommenen Kaufpreisaufteilung auf zuvor von den Veräußerern teilweise gewerblich und teilweise privat genutzten Räumlichkeiten ist dann nicht zu folgen, wenn die Aufteilung willkürlich erscheint, allein an den steuerlichen Interessen der Veräußerer ausgerichtet ist und zu völlig sachwidrigen und unangemessenen steuerlichen Ergebnissen führt.

3. Erfolgt die ursprüngliche Zuordnung von Anschaffungs- (Grund und Boden) und Herstellungskosten (Gebäude) im Verhältnis der gewerblichen Nutzfläche zur Gesamtnutzfläche und nicht nach einer Verkehrsbewertung der unterschiedlich genutzten Gebäudeteile bzw. Wirtschaftsgüter, ist es nach Überzeugung des Senats einzig geboten, auch im Falle der Veräußerung die Kaufpreisaufteilung nach der jeweiligen Nutzfläche vorzunehmen, denn alles andere (Zuordnung der Anschaffungs-/Herstellungskosten nach Nutzflächen; Aufteilung des Veräußerungserlöses nach Wertverhältnissen) würde die tatsächliche Wertsteigerung während der Zeit der betrieblichen Nutzung, die der Besteuerung unterliegt, sachwidrig verzerren. Ein solches Ergebnis wäre unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten nicht zu rechtfertigen.

4. Eine Bindung an die im notariellen Grundstückskaufvertrag getroffene Kaufpreisaufteilung besteht bei einer solchen Sachlage nicht (Abgrenzung zu BFH, Urteil vom 21. Juli 2020 IX R 26/19, BFH/NV 2021, 252).
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Die Volltexte der genannten Entscheidungen sowie weitere Entscheidungen des Niedersächsischen Finanzgerichts ab dem 1. Januar 2000 können Sie auf dem Niedersächsischen Landesjustizportal abrufen.

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Gut zu wissen

Zeitlicher Umfang einer Klage gegen einen Kindergeld-Ablehnungsbescheid

Lehnt die Familienkasse einen Antrag auf Gewährung von Kindergeld ab, stellt sich bei den Betroffenen häufig die Frage, welchen Zeitraum eine anschließende finanzgerichtliche Klage erfassen soll.

Die Bindungswirkung eines die Gewährung von Kindergeld ablehnenden Antrags beschränkt sich grundsätzlich auf die Zeit bis zum Ende des Monats seiner Bekanntgabe. Legt der Betroffene Einspruch gegen den Ablehnungsbescheid ein und weist die Familienkasse diesen Rechtsbehelf als unbegründet zurück, verlängert sich diese Bindungswirkung jedoch regelmäßig bis zum Ende des Monats der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung, mit der der Einspruch von der Familienkasse als unbegründet zurückgewiesen wird.

Eine finanzgerichtliche Klage gegen den ablehnenden Bescheid ist nur zulässig, soweit sie dessen zeitliche Bindungswirkung umfasst. Sie ist unzulässig, soweit sie die Zeit nach dem Monat der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung betrifft.

Auch ein weiterer Antrag auf Kindergeld kann rückwirkend nur ab dem auf die Bekanntgabe des Einspruchsbescheides folgenden Monat bewilligt werden. Dabei ist zu berücksichtigten, dass die Auszahlung von Kindergeld rückwirkend nur für die letzten sechs Monate vor Antragstellung erfolgen darf.

„Es ist daher ratsam, gleichzeitig mit der Klage gegen den Kindergeld-Ablehnungsbescheid, die den Zeitraum bis zum Monat der Einspruchsentscheidung umfasst, bei der Familienkasse einen erneuten Antrag auf Gewährung von Kindergeld für den anschließenden Zeitraum zu stellen“, rät Dr. Antje Hagena, Richterin im 6. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts.
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Neues aus dem
Niedersächsischen
Finanzgericht

Vorsitzender Richter Dr. Horn in den Ruhestand gegangen

Der langjährige Vorsitzende des 4. Senats Dr. Hans-Joachim Horn ist in den Ruhestand gegangen. Bei der Übergabe der Entlassungsurkunde am 30. April 2021 bedankte sich die Präsidentin des Niedersächsischen Finanzgerichts Petra Hager für seine langjährige Tätigkeit: "Mit Herrn Dr. Horn verlässt uns ein ausgewiesener Kenner des Steuerrechts, ein geschätzter Kollege und erfahrener Vorsitzender. Im Namen aller Kolleginnen und Kolleginnen wünsche ich ihm alles Gute".

Hans-Joachim Horn studierte an der Universität Göttingen und promovierte über das Deutsche Branntweinmonopol, bevor er seine juristische Karriere als Referent im EG-Rechtsreferat des Bundesministeriums für Wirtschaft begann und anschließend das Personalreferat des Hessischen Innenministeriums leitete.

Im September 1990 wurde Dr. Horn Richter am Niedersächsischen Finanzgericht. Von 2000 bis 2002 war er als Referent der CDU/CSU-Bundestagsfraktion tätig. Im Dezember 2007 wurde er zum Vorsitzenden Richter am Finanzgericht ernannt und übte dieses Amt bis zu seinem Ausscheiden aus dem Dienst in dem für Ertragsteuer zuständigen 4. Senat aus.

Dr. Horn war (und ist) Mitautor in Kommentaren zum Einkommensteuergesetz, zum Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht sowie zum steuerlichen Verfahrensrecht.

Inhouse Fortbildung im Niedersächsischen Finanzgericht

Ein Überblick über ausgewählte, richtungsweisende FG-Urteile

Das niedersächsische Finanzgericht hat Anfang Mai bereits zum wiederholten Mal eine Inhouse-Fortbildung angeboten, die corona-bedingt als webinar durchgeführt wurde.

Zum Thema „Update FG-Rechtsprechung 2019/2020/2021“ hat der Richter am Finanzgericht Prof. Dr. Volker Kreft einen umfassenden Überblick über ausgewählte und richtungsweisende Finanzgerichtsurteile gewährt. Im Rahmen der Fortbildung stellte Prof. Kreft zahlreiche Entscheidungen verschiedener Finanzgerichte vor, die sich erstmalig mit einer Rechtsproblematik befasst haben, die bisher höchstrichterlich nicht geklärte Rechtsfragen zum Gegenstand hatten oder die wegen Praxisrelevanz eine hohe Breitenwirkung entfalten.

Inhalt des Vortrages waren z.B. die immer wieder aktuellen Fragen der Schätzungsbefugnis bei Kassenaufzeichnungen, das Aufteilungsverbot bei gemischten Aufwendungen oder aktuelle Entscheidungen zum Kindergeldrecht. Vorgestellt wurde zudem eine Entscheidung des Bundesfinanzhofes (Beschluss vom 9.7.2020 VII S 23/20), nach der eine Pfändung der Corona Soforthilfe unzulässig ist.

Nachbarschaftshilfe auf Niedersächsisch   Bildrechte: Nds. Staatskanzlei

Artikel-Informationen

erstellt am:
19.05.2021

Ansprechpartner/in:
Frau Andrea-Alexandra Bartels

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