Niedersachsen klar Logo

Newsletter 10/2021 vom 15. September 2021

Rechtsprechung des
Niedersächsischen
Finanzgerichts

Veräußerung eines auf einem Campingplatz aufgestellten Mobilheims kein privates Veräußerungsgeschäft

Mit Urteil vom 28.7.2021 (9 K 234/17) hat der 9. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts – soweit ersichtlich – als erstes Finanzgericht zu der Frage Stellung genommen, ob die Veräußerung eines auf einem Campingplatz aufgestellten Mobilheims als privates Veräußerungsgeschäft der Einkommensbesteuerung unterliegen kann.

Im Streitfall hatte der Kläger 2011 ein sog. Mobilheim als „gebrauchtes Fahrzeug“ (ohne Grundstück) von einer Campingplatzbetreiberin und Grundstückseigentümerin erworben und anschließend vermietet. Dabei handelte es sich um ein Holzhaus mit einer Wohnfläche von 60 qm, das auf einer vom Kläger gemieteten Parzelle (200 qm) auf einem Campingplatz ohne feste Verankerung stand. Dort befand sich das Mobilheim bereits seit 1997 (erstmalige Aufstellung). Der Erwerbsvorgang unterlag der Grunderwerbsteuer. Im Jahr 2015 veräußerte der Kläger dieses Mobilheim mit Gewinn. Das beklagte Finanzamt unterwarf den Vorgang der Besteuerung als privates Veräußerungsgeschäft. Die nunmehr hiergegen beim Finanzgericht erhobene Klage hatte Erfolg.

Nach Überzeugung des 9. Senats des Niedersächsischen Finanzgerichts stellt die isolierte Veräußerung eines Mobilheims selbst dann kein privates Veräußerungsgeschäft im Sinne von § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG dar, wenn es sich bewertungsrechtlich um ein Gebäude (auf fremden Grund und Boden) handelt, dessen Erwerb und Veräußerung der Grunderwerbsteuer unterliegt, und bei dem der Zeitraum zwischen Erwerb und Veräußerung weniger als 10 Jahre beträgt. Dies soll ungeachtet der steuerlichen Einordnung eines Gebäudes in § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG als „unbewegliches Vermögen“ gelten. Das Niedersächsische Finanzgericht stellt insoweit im Wesentlichen auf den Wortlaut des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 EStG ab, wonach Gebäude nur in die Berechnung eines Bodenveräußerungsgewinns einzubeziehen sind, m.a.W. nur einen Berechnungsfaktor darstellen und damit kein eigenständiges Objekt eines privaten Grundstücksveräußerungsgeschäftes sein können. Eine entsprechende Anwendung der Vorschrift wegen einer vom Finanzamt angenommenen Vergleichbarkeit eines Gebäudes auf fremden Grund und Boden mit einem – unter die Vorschrift fallenden – Erbbaurecht lehnte das Niedersächsische Finanzgericht ab.

Die vom Niedersächsischen Finanzgericht zugelassene Revision ist unter dem Aktenzeichen IX R 22/21 beim Bundesfinanzhof anhängig.

---

Weitere Entscheidungen des
Niedersächsischen Finanzgerichts

Az. 1 K 60/19 – Urteil vom 31.05.2021
Ausübung des Nachbewertungsvorbehalts bei Übertragung wesentlicher Wirtschaftsgüter eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs

1. Die – teils unentgeltliche, teils entgeltliche - Übertragung aller wesentlichen Wirtschaftsgüter eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs an verschiedene, nicht mitunternehmerisch verbundene Erwerber löst den Nachbewertungsvorbehalt des § 162 Abs. 4 Satz 1 BewG aus.

2. Dabei ist es unerheblich, ob das land- und forstwirtschaftliche Vermögen dem ertragsteuerlichen Betriebs- oder Privatvermögen zuzuordnen ist, ob die Übertragung an einzelne Erwerber unentgeltlich erfolgt und ob die jeweiligen Erwerber die übertragenen Wirtschaftsgüter weiterhin landwirtschaftlich nutzen (lassen).

vorläufig nicht rechtskräftig
---

Az. 9 K 276/19 – Urteil vom 16.06.2021
Ordnungsmäßigkeit eines Fahrtenbuches trotz kleinerer Mängel und Ungenauigkeiten

1. Kleinere Mängel und Ungenauigkeiten (im Streitfall: Verwendung von Abkürzungen für Kunden und Ortsangaben; fehlende Ortsangaben bei Übernachtung im Hotel; Differenzen aus dem Vergleich zwischen den Kilometerangaben im Fahrtenbuch und laut Routenplaner; keine Aufzeichnung von Tankstopps) führen nicht zur Verwerfung des Fahrtenbuchs und Anwendung der 1 %-Regelung, wenn die Angaben insgesamt plausibel sind (Anschluss an BFH, Urteil vom 10. April 2008 VI R 38/06, BFH/NV 2008, 1373). Maßgeblich ist, ob trotz der Mängel noch eine hinreichende Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben gegeben und der Nachweis des zu versteuernden Privatanteils an der Gesamtfahrleistung des Dienstwagens möglich ist.

2. Dem Finanzamt ist zuzumuten, fehlende Angaben zu Hotelübernachtungen aus vorliegenden Reisekostenunterlagen zu ermitteln, sofern ist sich nur um vereinzelte Fälle handelt (Abgrenzung zu FG Köln, Urteil vom 15. September 2016 10 K 2497/15, EFG 2016, 2081).

3. In der Regel müssen die Angaben zu den Kilometerständen sofort, d.h. am Ende jeder Fahrt gemacht werden. Nur Präzisierungen des beruflichen Zwecks dürfen ggf. noch innerhalb einer Woche nachgeholt werden. Die Indizwirkung, die von fehlenden Gebrauchsspuren und einem gleichmäßigen Schriftbild eines Fahrtenbuches in Bezug auf eine unzulässige Nacherstellung ausgeht, kann vom Steuerpflichtigen entkräftet werden.

4. Die Anforderungen an das ordnungsgemäße Führen eines Fahrtenbuches dürfen nicht überspannt werden, damit aus der widerlegbaren Typisierung der 1%-Regelung in der Praxis nicht eine unwiderlegbare Typisierung wird. Gerade im Hinblick auf die stark typisierende 1%-Regelung wäre dies aus verfassungsrechtlichen Gründen – es droht eine Übermaßbesteuerung – nicht zu rechtfertigen. Der BFH (etwa Urteil vom 13. Dezember 2012 – VI R 51/11, BFHE 240, 69, BStBl II 2013, 385) stützt die Verfassungsmäßigkeit der 1%-Regelung als „grober Klotz“ mit teilweise stark belastender Wirkung u.a. auf die Möglichkeit, zur Vermeidung einer Übermaßbesteuerung ein Fahrtenbuch zu führen (sog. Escape-Klausel).

rechtskräftig
---

Die Volltexte der genannten Entscheidungen sowie weitere Entscheidungen des Niedersächsischen Finanzgerichts ab dem 1. Januar 2000 können Sie auf dem Niedersächsischen Landesjustizportal abrufen.

---

Gut zu wissen

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung der Klagefrist

Wer mit einem Bescheid des Finanzamts oder der Familienkasse nicht einverstanden ist, kann - nachdem zunächst erfolglos ein Einspruchsverfahren durchgeführt wurde - bei dem Finanzgericht Klage erheben.

Das muss innerhalb der Klagefrist geschehen, die regelmäßig einen Monat seit der Bekanntgabe der Entscheidung über den Einspruch beträgt. Innerhalb dieses Zeitraums muss die Klageschrift bei dem Finanzgericht eingegangen sein.

Geht die Klage außerhalb der Klagefrist ein, ist sie grundsätzlich mit der Folge unzulässig, dass Sie nicht mehr mit Ihrem inhaltlichen Vorbringen gehört werden können.

Unter Umständen besteht jedoch die Möglichkeit, beim Finanzgericht eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erreichen. Dies setzt allerdings voraus, dass Sie die Klagefrist unverschuldet versäumt haben, etwa weil Sie aufgrund eines Urlaubs (von üblicher Dauer) nicht rechtzeitig von der Bekanntgabe des Bescheides erfahren haben oder weil Sie durch eine plötzlich aufgetretene schwere Erkrankung daran gehindert waren, fristgemäß Klage zu erheben oder jemanden damit zu beauftragen. Auch kann es sein, dass Sie alles Erforderliche für eine rechtzeitige Klageerhebung in die Wege geleitet haben, die Klage durch einen verzögerten Postlauf aber dennoch trotzdem erst nach Fristablauf beim Gericht eingeht.

Zur Wiedereinsetzung in die Klagefrist müssen Sie einen Antrag stellen, die versäumte Handlung, also die Klageerhebung, nachholen und dem Gericht den Grund für die unverschuldete Säumnis der Klagefrist mitteilen.

All dies muss innerhalb von zwei (!) Wochen nach Wegfall des Hindernisses passieren, das zur Versäumung der Klagefrist geführt hat.

Außerdem ist es erforderlich, dass Sie den Grund für die unverschuldete Säumnis der Klagefrist glaubhaft machen. Das ist möglich durch die Vorlage der Buchungsunterlagen für Ihren Urlaub, eines ärztlichen Attests, eines Einlieferungsnachweises des Postzustellers oder durch die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung über die Geschehnisse.

Die Glaubhaftmachung kann aber noch im Laufe des weiteren Verfahrens nach Ablauf der Zweiwochen-Frist erfolgen. Auch können die Gründe noch näher konkretisiert werden. Allerdings ist zu beachten, worauf Sebastian Siesenop, Richter im 1. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts, hinweist: „Nach Ablauf der zwei Wochen werden vom Gericht nur noch solche Ausführungen berücksichtigt, die unklare Angaben erläutern oder unvollständige Angaben ergänzen, wesentlich neue Gründe werden nicht zugelassen“.

Neues aus dem Finanzgericht
  Bildrechte: Nds. FG
RinLG Diana Sander und Ri Jens Harms


Personelle Verstärkung im Niedersächsischen Finanzgericht durch Diana Sander und Jens Harms

Seit dem 1. September 2021 ist Frau Diana Sander als Richterin an das Niedersächsische Finanzgericht abgeordnet. Nach ihrem dualen Studium zur Dipl.- Finanzwirtin (FH) war Frau Sander im gehobenen Dienst der Berliner Finanzverwaltung tätig und begann im Jahr 2008 zunächst berufsbegleitend das Studium der Rechtswissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin. Nach dem ersten Staatsexamen wechselte sie in die niedersächsische Justiz und leistete ihr Rechtsreferendariat im Bezirk des OLG Braunschweig. Dort war sie nach Abschluss des zweiten Staatsexamens in der ordentlichen Gerichtsbarkeit als Richterin auf Probe, seit 2018 als Richterin am Landgericht in Braunschweig tätig. Daneben war sie von Januar 2017 bis Juni 2019 als hauptamtliche Prüferin im Landesjustizprüfungsamt des Landes Niedersachsen aktiv. Im Niedersächsischen Finanzgericht gehört Frau Sander dem 12. Senat an, der für Verfahren betreffend die Finanzämter Hannover-Land II, Hannover-Süd, Leer, Lingen, Rotenburg und im besonderen Arbeitsgebiet für Verfahren zuständig ist, die das steuerliche Datenschutzrecht betreffen.

Jens Harms absolvierte nach seinem Abitur zunächst die duale Ausbildung in der Niedersächsischen Finanzverwaltung mit einer praktischen Ausbildung im Finanzamt Leer und einem Studium an der Steuerakademie Niedersachsen in Rinteln. Im Anschluss daran studierte Herr Harms Jura an der Leibniz Universität Hannover und arbeitete gleichzeitig als Steuerinspektor in der Rechtsbehelfsstelle des Finanzamts Hannover-Nord. Nach Absolvierung seines Zweiten Juristischen Staatsexamens war Herr Harms zunächst ab August 2020 als Staatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Hannover eingesetzt. Bereits seit März 2021 ist er als Richter auf Probe beim Niedersächsischen Finanzgericht tätig. Dort ist er dem 10. Senat zugewiesen, der unter anderem für Verfahren wegen Körperschaftsteuer zuständig ist.

Präsidentin des Niedersächsischen Finanzgerichts Petra Hager spricht langjährigen ehrenamtlichen Richterinnen und Richtern ihren Dank aus.

Im Rahmen einer kleinen Feierstunde am 3. September haben die Präsidentin und der Vizepräsident des Niedersächsischen Finanzgerichts Petra Hager und Jörg Mutschler ehrenamtliche Richterinnen und Richter verabschiedet, die jeweils länger als 20 Jahre die Laienrichterfunktion in der niedersächsischen Finanzgerichtsbarkeit ausgeübt haben.

Die Mitwirkung als ehrenamtliche Richterin oder ehrenamtlicher Richter bei Verhandlungen und Beratungen des Finanzgerichts ist ein wichtiger Baustein bei der Entscheidungsfindung des Senates, der sich aus drei Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richter*innen zusammensetzt. Genau wie die Berufsrichter*innen sind auch die Laienrichter*innen unabhängig, zu Neutralität verpflichtet und nur dem Gesetz unterworfen. Bei der Entscheidungsfindung haben die Laienrichter*innen die gleichen Rechte und Pflichten wie die Berufsrichter*innen; so steht ihnen beispielsweise bei der Abstimmung über das Urteil allen fünf Urteilenden das gleiche Stimmrecht zu.

„Die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter sollen bei einem finanzgerichtlichen Verfahren, in dem es regelmäßig um komplizierte Fragen des Steuerrechts geht, das Rechtsbewusstsein und die Wertvorstellungen der Bürgerinnen und Bürger in die Urteilsfindung des Gerichts einbringen und mit einem juristisch unbefangenen Blick an der mündlichen Verhandlung und der Beratung teilnehmen. Für diese manchmal sicher nicht einfache Tätigkeit, die Sie über lange Jahre verantwortungsbewusst ausgeübt haben, spreche ich Ihnen meinen herzlichen Dank und meine Anerkennung aus.“, so Hager im Rahmen der Verabschiedung.

Nach jeweils langjähriger Tätigkeit als ehrenamtliche Richterin / ehrenamtlicher Richter wurden verabschiedet:

Ingeborg Rüdiger aus Braunschweig 23 Jahre

Dr. med. Ulrike Wendt aus Oldenburg 23 Jahre

Christiane Beyer aus Lüchow 27 Jahre

Elisabeth Popken aus Bunde 27 Jahre

Hans-Heinrich Kehr aus Braunschweig 31 Jahre

Holger Brandt aus Stadthagen 27 Jahre

Wilhelm Harms aus Leer 27 Jahre

Gerda Spies aus Langeoog 27 Jahre

Franz Thiele aus Emden 27 Jahre

Hermann Hintelmann aus Hammah 27 Jahre

Hermann Meyer aus Osterholz-Scharmbeck 23 Jahre

  Bildrechte: Nds. FG
PräsFG Hager und VP Mutschler mit den verabschiedeten ehrenamtlichen Richterinnen und Richtern
Eins kippen gehen auf Niedersächsisch   Bildrechte: Nds. Staatskanzlei

Artikel-Informationen

erstellt am:
15.09.2021
zuletzt aktualisiert am:
16.09.2021

Ansprechpartner/in:
Frau Andrea-Alexandra Bartels

zum Seitenanfang
zur mobilen Ansicht wechseln