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Newsletter 9/2023 vom 16. August 2023

Entscheidungen des Niedersächsischen Finanzgerichts

Umsatzbesteuerung von Mitgliedsbeiträgen eines Fitnessstudios bei pandemiebedingter Schließung

Mit Urteil vom 23. Mai 2023 (5 K 59/22) hat der 5. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts entschieden, dass Beiträge, die Mitglieder eines Fitnessstudios trotz coronabedingter Schließung an den Betreiber zahlen, der Umsatzsteuer unterliegen, wenn sich die Vertragsparteien zu Beginn der Schließzeit auf eine (dann) beitragsfreie Vertragsverlängerung um die Zeit der Schließung geeinigt haben.

Dabei war maßgeblich, ob ein Leistungsaustausch im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) zwischen den Zahlungen der Mitglieder und den Leistungen des Fitnessstudios vorliegt. Diese Frage wird grundsätzlich nicht nach zivilrechtlichen, sondern ausschließlich nach den vom Unionsrecht geprägten umsatzsteuerrechtlichen Maßstäben beantwortet. Bei Leistungen aufgrund eines gegenseitigen Vertrags, durch den sich eine Vertragspartei zu einem Tun, Dulden oder Unterlassen und die andere sich hierfür zur Zahlung einer Gegenleistung verpflichtet, liegt jedoch regelmäßig auch ein Leistungsaustausch im umsatzsteuerrechtlichen Sinne vor.

Der Bundesgerichtshof hat insoweit für das Zivilrecht bereits entschieden, dass Leistungen eines Fitnessstudios bei coronabedingter Schließung wegen Zeitablaufs nicht mehr nachholbar sind und der Betreiber nach § 275 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) von seiner Leistungsverpflichtung frei wird, gleichzeitig aber seinen Anspruch auf die Gegenleistung nach § 326 Abs. 1 BGB verliert (BGH, Urteil vom 4. Mai 2022, XII ZR 64/21, BGHZ 233, 266).

Auf dem Gebiet des Umsatzsteuerrechts waren bisher Entscheidungen des FG Hamburg und des FG Schleswig-Holstein ergangen. Das FG Hamburg hat in einem ähnlich gelagerten Fall, in dem allerdings „nur“ mit einem Aushang vor Ort und in den sozialen Medien Gratis-Monate für die Schließzeit sowie Alternativleistungen angeboten worden waren, das Vorliegen eines Leistungsaustauschs verneint (Urteil vom 16. Februar 2023, 6 K 239/21, EFG 2023, 867). Das FG Schleswig-Holstein hat entschieden, dass die vereinnahmten Mitgliedsbeiträge jedenfalls mit dem Leistungsbündel der im dortigen Fall erbrachten Alternativleistungen (Online-Kurse u. ä.) in einem Leistungsaustausch stünden (Urteil vom 16. November 2022, 4 K 41/22, EFG 2023, 364).

Das Niedersächsische FG ist im Streitfall zu dem Ergebnis gekommen, dass sich die Parteien zu Beginn der Schließung auf eine Änderung des jeweiligen Vertrags dergestalt geeinigt haben, dass die Betreiberin der Fitnessstudios ihre Leistungen (teilweise) im Anschluss an die reguläre Vertragslaufzeit und das jeweilige Mitglied die Gegenleistung vorab während der Schließzeit erbringt. Dies folge daraus, dass dies sämtlichen Kunden zu Beginn der Schließung persönlich und unmittelbar per E-Mail angeboten worden sei, so dass die schlichte Fortzahlung der Mitgliedsbeiträge nach dem objektiven Empfängerhorizont als konkludente Annahme ohne Erklärung gegenüber dem Antragenden gemäß § 151 BGB zu verstehen sei.

Im Ergebnis führe dies dazu, dass zwischen den Beitragszahlungen der Mitglieder und den später zu erbringenden Leistungen der Fitnessstudiobetreiberin ein Austauschverhältnis vorliege und die Zahlungen als Vorauszahlungen im Sinne von § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG der Umsatzsteuer zu unterwerfen seien.

Die Entscheidung ist rechtskräftig.

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Weitere Entscheidung
des Finanzgerichts


Az. 7 K 254/20 – Urteil vom 14.06.2023
Rechtmäßigkeit der Besteuerung fiktiver Übergangsgewinne durch Investmentsteuerreform

Die Besteuerung fiktiver Übergangsgewinne durch die Investmentsteuerreform nach § 56 InvStG ist rechtmäßig.

Revision; BFH-AZ: VIII R 22/23

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Die Volltexte der genannten Entscheidungen sowie weitere Entscheidungen des Niedersächsischen Finanzgerichts ab dem 1. Januar 2000 können Sie über das Niedersächsisches Vorschrifteninformationssystem (NI-VORIS) abrufen.

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Gut zu wissen

"Da kann ich nicht...!" - Der Antrag auf Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung

Das Finanzgericht entscheidet über eine Klage regelmäßig „auf Grund mündlicher Verhandlung“. Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten, also im Regelfall der klagende Steuerpflichtige und das beklagte Finanzamt mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen zu laden. Doch was kann ich tun, wenn der durch das Finanzgericht bestimmte Termin so gar nicht passt? Etwa weil ich an diesem Tag heirate, die lange geplante Urlaubsreise ansteht oder ich bereits einen anderen wichtigen und nicht oder schwer aufschiebbaren Termin habe? Oder wenn ich am Tag der Verhandlung oder kurz davor erkranke und nicht bei Gericht erscheinen kann?

In solchen Fällen besteht die Möglichkeit der Terminsverlegung. Wann diese möglich ist, bestimmt § 227 der Zivilprozessordnung (auf den § 155 der Finanzgerichtsordnung verweist). Danach kann ein Termin „aus erheblichen Gründen“ aufgehoben oder verlegt werden. Das Gesetz selbst sagt nicht, was ein „erheblicher“ Grund ist, sondern nur, was keiner ist, etwa die mangelnde Vorbereitung einer Partei. Doch in den eingangs genannten Fällen wird man nach der Rechtsprechung regelmäßig von einem erheblichen Grund ausgehen können. Die erheblichen Gründe sind nach dem Gesetz erst auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen. Es empfiehlt sich jedoch, dies bereits von sich aus mit dem Antrag auf Terminsverlegung zu erledigen und etwa die früher ergangene Ladung zu dem anderen Gerichtstermin, die Reisebetätigung oder den Nachweis über den anderen (wichtigen und nicht ohne weiteres verzicht- und verschiebbaren) Termin beizufügen. Wenn ein Verlegungsantrag erst sehr kurzfristig (z.B. am Tag vor dem Termin) gestellt wird, müssen die Gründe für den Verlegung allerdings gleich mit den entsprechenden Unterlagen glaubhaft gemacht werden, da in solchen Fällen die Zeit für eine Aufforderung des Vorsitzenden nicht mehr ausreicht. Grundsätzlich sollte der Verlegungsantrag so frühzeitig wie möglich gestellt werden, damit das Gericht noch einen Fall ersatzweise nachladen kann.

Auch die Erkrankung des Prozessbevollmächtigten, aber auch des nicht vertretenen Steuerpflichtigen rechtfertigt grds. eine Verlegung. Dies erfordert jedoch regelmäßig ein Attest, aus dem sich die Reise- und Verhandlungsunfähigkeit ergibt; eine bloße Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung genügt nicht, insbesondere dann, wenn sie erst kurz vor dem Termin eingereicht wird.


Neues aus dem
Niedersächsischen
Finanzgericht

  Bildrechte: Nds. FG
Justizassistent Leon Liekefett

In der Zeit vom 1. Mai bis 31. Juli 2023 war der Rechtsreferendar Dipl.-Finanzwirt Leon Liekefett als Justizassistent bei dem Niedersächsischen Finanzgericht tätig.

Seit einigen Jahren besteht in der niedersächsischen Justiz die Möglichkeit, in der Zeit des Rechtsreferendariats im Rahmen einer Nebentätigkeit als wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter bei einem Ge­richt oder einer Staats­an­walt­schaft eingesetzt zu werden. Herr Liekefett ist der zweite Referendar, der diese Möglichkeit bei dem Niedersächsischen Finanzgericht nutzt.

Leon Liekefett hat seine steuerrechtliche Karriere mit einer Ausbildung im gehobenen Dienst der niedersächsischen Finanzverwaltung begonnen, hat anschließend Rechtswissenschaften an der Universität Osnabrück studiert und war währenddessen für mehrere Jahre in Teilzeit in unterschiedlichen Sachgebieten weiterhin in der Finanzverwaltung tätig. Derzeit befindet er sich in der Staatsanwaltsstation seines Rechtsreferendariats bei dem Oberlandesgericht Braunschweig.

Rückblickend bewertet Liekefett seine Erfahrungen äußerst positiv: "Die Justizassistenz stellt aus meiner Sicht eine tolle Möglichkeit dar, um als Nebentätigkeit neben dem Referendariat erste Erfahrungen in der Finanzgerichtsbarkeit sammeln zu können. In den drei Monaten war ich insgesamt vier verschiedenen Senaten mit unterschiedlichen Fachzuständigkeiten zugeteilt . In jedem Senat wurde ich sehr freundlich und mit einem offenen Ohr für alle meine Fragen und Anliegen empfangen. Ich konnte an Senatssitzungen, Vorbesprechungen und Einzelrichtersitzungen teilnehmen und habe in jedem Senat einen spannenden Fall aus den unterschiedlichsten Bereichen des Steuerrechtes (Abgabenordnung, Umwandlungssteuerrecht, Umsatzsteuerrecht, Gemeinnützigkeitsrecht) bearbeitet. Die Möglichkeit, in einer kurzen Zeit eine Vielzahl unterschiedlicher Fälle, Senate und Richterinnen und Richter kennenlernen zu können, habe ich als sehr bereichernd empfunden".

Weitere Informationen zur Justizassistenz finden Sie bei Interesse hier auf der Website des Niedersächsischen Finanzgerichts. Bei Fragen können Sie sich auch gerne an RiFG Dr. Christian Gercke (0511/89750-474) wenden.

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Artikel-Informationen

erstellt am:
16.08.2023
zuletzt aktualisiert am:
25.08.2023

Ansprechpartner/in:
Frau Andrea-Alexandra Bartels

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