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erstellt am:
16.07.2025
12 K 20/24 – Urteil vom 13. Februar 2024
Steuerliche Behandlung von Corona-Soforthilfen bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG
Die Gewährung von Corona-Soforthilfen hat keinen Darlehenscharakter und stellt im Zeitpunkt des Zuflusses steuerpflichtige Betriebseinnahmen dar. Korrespondierend hierzu sind etwaige Rückzahlungen im Zeitpunkt des Abflusses als Betriebsausgaben zu berücksichtigen. Dies entspricht den allgemeinen Prinzipien bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG. Etwaige Progressionsvorteile oder -nachteile sind diesem System immanent.
Die Rückforderung von Corona-Soforthilfen stellt zudem kein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO dar.
Revision eingelegt; Aktenzeichen des BFH: VIII R 4/25
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1 K 110/18 - Urteil vom 29. Oktober 2024
Eingeschränkte Überprüfbarkeit eines pflichtwidrig erst im Klageverfahren eingeholten Beschlusses eines Gutachterausschusses für Grundstückswerte über Vergleichswerte
1. Es widerspräche dem Ziel der Vorschrift des § 68 Satz 1 FGO, ein erneutes Verfahren zu verhindern, wenn ein Kläger in Fällen, in denen das Finanzamt zwecks Korrektur eines Bescheids diesen zunächst aufhebt und im Anschluss daran einen neuen Bescheid in derselben Streitsache erlässt, anstatt den rechtswidrigen Bescheid ohne vorherige Aufhebung unmittelbar zu ändern, der Kläger ein neues Verfahren gegen den neuen Bescheid anstreben müsste.
2. Hebt ein Finanzamt einen angefochtenen Feststellungsbescheid in der Absicht auf, zu einem späteren Zeitpunkt einen verbösernden Neubescheid zu erlassen, liegt kein Fall einer Klageabhilfe nach § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a AO vor.
3. Ein Finanzamt darf einen pflichtwidrig erst im Klageverfahren von ihm eingeholten Beschluss eines Gutachterausschusses für Grundstückswerte nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht zur Grundlage einer Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nehmen.
4. Bei der Bewertung im Vergleichswertverfahren nach § 182 Abs. 2 Nr. 1 BewG hat der Gesetzgeber die Ermittlung von Vergleichspreisen und -faktoren explizit den Gutachterausschüssen für Grundstückswerte aufgegeben, da diesen auf Grund ihrer besonderen Sach- und Fachkenntnis und ihrer größeren Ortsnähe sowie der in hohem Maße von Beurteilungs- und Ermessenserwägungen abhängigen Wertfindung eine vorgreifliche Kompetenz bei der Feststellung von Vergleichspreisen und -faktoren zukommt. Eine fachliche Überprüfung durch - mit geringerer Sachkunde ausgestattete - Gerichte würde dem widersprechen. Die gerichtliche Überprüfung von Mitteilungen der Gutachterausschüsse für Grundstückswerte ist auf offensichtliche Unrichtigkeiten beschränkt.
5. Die Einholung einer Mitteilung der Gutachterausschüsse für Grundstückswerte von Vergleichspreisen steht nicht im Ermessen der Finanzämter. Dies folgt bereits aus den Wortlauten von § 182 Abs. 2 BewG und § 183 Abs. 1 S. 2 BewG, wonach Wohnungseigentum grundsätzlich im Vergleichswertverfahren zu bewerten ist, wobei Grundlage vorrangig die von den Gutachterausschüssen im Sinne des § 192 ff. BauGB mitgeteilten Vergleichspreise sind.
6. Es bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Beschränkung der gerichtlichen Überprüfung der Mitteilung der Gutachterausschüsse für Grundstückswerte auf offensichtliche Unrichtigkeiten.
7. Die Regelung des § 198 Satz 1 BewG, mit der dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit gegeben wird, ggf. einen niedrigeren gemeinen Wert des übertragenen Grundbesitzes nachzuweisen, ist hinsichtlich der dadurch dem Steuerpflichtigen auferlegten Nachweislast verfassungsgemäß.
8. Die nach § 183 Abs. 1 S. 2 BewG erforderliche Berücksichtigung der Mitteilung von Vergleichspreisen durch die Gutachterausschüsse für Grundstückswerte, auch insoweit als diese erst im finanzgerichtlichen Verfahren eingeholt wird, verstößt nicht gegen das durch das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) gebotene Bestimmtheitsgebot.
Revision eingelegt; Aktenzeichen des BFH: II R 1/25
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4 K 21/22 - Urteil vom 10. Juli 2024
Krankenversicherungszuschüsse der gesetzlichen Rentenversicherung und Sonderausgaben
Krankenversicherungszuschüsse der gesetzlichen Rentenversicherung mindern als steuerfreie Zuschüsse die als Sonderausgaben abzugsfähigen Beiträge zur privaten Krankenversicherung eines Rentners.
Revision eingelegt; Aktenzeichen des BFH: X R 11/25
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6 K 86/22 - Urteil vom 24. April 2025
Wertpapierleihe über den Dividendenstichtag als Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten (§ 42 AO), Jahresfrist des § 130 Abs. 3 AO bei Änderung einer Anrechnungsverfügung nach §§ 130, 131 AO (Kapitalertragsteuer)
1. Bei der Prüfung der steuerlichen Zurechnung von Wirtschaftsgütern nach § 39 der Abgabenordnung (AO) ist zu untersuchen, wem die wesentlichen mit dem Vollrecht an Aktien verbundenen Rechte objektiv und in tatsächlicher Hinsicht zustehen; nicht relevant ist, ob der Inhaber dieser Rechte sie subjektiv auch wahrnehmen möchte (Anschluss an BFH v. 13. November 2024 I R 3/21).
2. Die wiederholte, kurzfristige Übertragung von Aktien über den Dividendenstichtag im Rahmen eines Wertpapierdarlehens, bei dem der Darlehensnehmer als Dividendenempfänger durch die Kombination der Steuerfreistellung nach § 8b Abs. 1 KStG mit der an den Darlehensgeber zu leistenden Kompensationszahlung einen Steuervorteil erlangt, ohne dass die gewählte Gestaltung einen über diesen Vorteil hinausgehenden, eigenen wirtschaftlichen Zweck aufweist oder für sie ein außersteuerlicher Grund besteht, stellt einen Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 AO dar.
3. Aus einer spezialgesetzlichen Missbrauchsvermeidungsvorschrift (hier: § 8b Abs. 10 des Körperschaftsteuergesetzes i.d.F. des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008) lässt sich nicht im Wege eines Umkehrschlusses die Folgerung ziehen, dass eine von ihr (nach späterer Änderung und Erweiterung des Geltungsbereiches der Missbrauchsvermeidungsvorschrift) erfasste Sachverhaltskonstellation vor dem Inkrafttreten (bzw. der Änderung und Erweiterung) den Tatbestand der allgemeinen Missbrauchsvermeidungsvorschrift des § 42 AO nicht erfüllen kann.
4. § 130 Abs. 3 AO ist als Bearbeitungsfrist zu verstehen. Bei Annahme einer Entscheidungsfrist geht der mit § 130 Abs. 3 AO bezweckte Vertrauensschutz verloren, da der Fristbeginn zu weit nach hinten gerückt würde. Entscheidend ist der Zeitpunkt, ab dem die Behörde alle tatsächlichen und rechtlichen Umstände kennt, die für die Rechtswidrigkeit und Aufhebbarkeit des jeweiligen Verwaltungsaktes erforderlich sind.
rechtskräftig
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6 K 216/22 - Urteil vom 24. April 2025
Führungsprovisionen als Teil des "selbst abgeschlossenen Geschäfts" i.S.d. § 21 KStG a.F.
Führungsprovisionen im Rahmen von mit anderen Pensionskassen betriebenen Versicherungskonsortien sind bei der Ermittlung des abzugsfähigen Höchstbetrags der Zuführung zur Rückstellung für Beitragsrückerstattungen gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 iVm Abs. 1 Nr. 1 KStG a.F. nicht Teil des sogenannten "selbst abgeschlossenen Geschäfts".
Revision eingelegt; Aktenzeichen des BFH: I R 15/25
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Die Volltexte der genannten Entscheidung sowie weitere Entscheidungen des Niedersächsischen Finanzgerichts ab dem 1. Januar 2000 können Sie über das Niedersächsische Vorschrifteninformationssystem (NI-VORIS) abrufen.
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Gut zu wissen
Was macht das? – Die Kosten im finanzgerichtlichen Verfahren
Das gerichtliche Verfahren löst – anders als das bei dem Finanzamt oder der Familienkasse durchgeführte Einspruchsverfahren – Kosten aus.
Wer von den Beteiligten die Kosten zu tragen hat, entscheidet das Gericht entweder im Urteil oder – im Falle der Erledigung der Hauptsache – im Rahmen eines Kostenbeschlusses, § 143 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
Die Kosten des finanzgerichtlichen Verfahrens setzen sich aus den Gerichtskosten und den zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens (Einspruchsverfahren bei dem Finanzamt oder der Familienkasse) zusammen, § 139 Abs. 1 FGO.
Die Gerichtskosten bemessen sich nach dem Streitwert, welcher sich aus dem Antrag des Klägers und der für ihn ergebenden Bedeutung der Sache ergibt, § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Im finanzgerichtlichen Verfahren wird in der Regel über konkrete Steuerbeträge gestritten, welche dann den entsprechenden Streitwert darstellen. Dabei ist zu beachten, dass im finanzgerichtlichen Verfahren – mit Ausnahme von Angelegenheiten im Kindergeldrecht – ein Mindeststreitwert von 1.500 € gilt, § 52 Abs. 4 Nr. 1 GKG. Selbst wenn durch das Klageverfahren nur eine Herabsetzung der festgesetzten Steuer von weniger als 1.500 € begehrt wird, erfolgt dann die Berechnung der Gerichtsgebühren nach dem Mindeststreitwert von 1.500 €.
Nur wenn sich aus dem Antrag keine hinreichenden Anhaltspunkte zur Bezifferung des Streitwerts ergeben, greift der sogenannte Auffangstreitwert in Höhe von 5.000 €, § 52 Abs. 2 GKG.
Dabei ist allerdings zu beachten, dass es für eine Vielzahl von Begehren, die auf den ersten Blick nicht bezifferbar erscheinen, Rechtsprechung zur Bestimmung des Streitwertes gibt. So hat der BFH z.B. entschieden, dass für das Bestehen der Steuerberaterprüfung pauschal 25.000 € als Streitwert anzusetzen sind (BFH, Beschluss vom 18. November 2003 – VII B 299/02 , BFH/NV 2004, 515).
Wie hoch die Gerichtsgebühren dann im Einzelnen sind, hängt davon ab, ob das Gericht die Sache durch Urteil bzw. Gerichtsbescheid oder aber durch Beschluss beendet. Im Falle einer streitigen Entscheidung durch Urteil bzw. Gerichtsbescheid fallen 4 Gerichtsgebühren an, während bei Beendigung der Sache durch Erledigung der Hauptsache oder durch Klagerücknahme nur 2 Gerichtsgebühren fällig werden.
Die Gerichtsgebühren sind zum 1. Juni 2025 angehoben worden. Für den Mindeststreitwert von 1.500 € beträgt die einfache Gerichtsgebühr nunmehr 82 €, Anlage 2 zu § 34 Abs. 1 Satz 3 GKG. Greift demnach der Mindeststreitwert werden bei einer Entscheidung durch Urteil oder Gerichtsbescheid 4 x 82 €, mithin 328 € fällig, während im Fall der Klagerücknahme oder der Erledigung der Hauptsache 2 x 82 €, mithin 164 € fällig werden.
Weitere detaillierte Erläuterungen zur Zusammensetzung der Kosten eines finanzgerichtlichen Verfahrens und zu einzelnen Streitwerten finden Sie auch auf der Homepage des Niedersächsischen Finanzgerichts unter Kostenhinweise des Niedersächsischen Finanzgerichts.Neues aus dem Finanzgericht
Staffelübergabe im Presseteam des Niedersächsischen Finanzgerichts oder „Was hat eigentlich die Pressearbeit mit Kenia zu tun?“
Anfang Juli 2025 haben Nina Sombeck und Dr. Matthias Wuthenow die Pressearbeit von Andrea-Alexandra Bartels und Dr. Thomas Keß übernommen.
Andrea-Alexandra Bartels und Dr. Thomas Keß: "Nach über 10 Jahren als Pressesprecher haben wir den Staffelstab in Sachen Pressearbeit im Juli an die Richterin am Finanzgericht Nina Sombeck und den Richter am Finanzgericht Dr. Matthias Wuthenow übergeben.
Neben dem „Kerngeschäft“, d.h. neben der Veröffentlichung der Rechtsprechung des niedersächsischen Finanzgerichts, war in den zurückliegenden Jahren ein Teil unserer Aufgabe - wenn nicht sogar unserer Mission -, den (Steuer)- Bürgerinnen und Bürgern das Finanzgericht mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und den spannenden steuerrechtlichen Fragen näher zu bringen. U.a. die inzwischen seit vielen Jahren etablierte Veranstaltung in Zusammenarbeit mit dem Steuerberaterverband, Besuche von Studierenden verschiedener Fakultäten oder die Einführung des monatlichen Newsletters haben ihren Teil dazu beigetragen. Über die Jahre durften wir als Pressesprecher zudem die Besuche der jeweiligen Justizministerinnen im Niedersächsischen Finanzgericht begleiten: Antje Niewisch-Lennartz (Die Grünen) im März 2014 noch am alten Standort in der Hermann-Guthe Straße, Barbara Havliza (CDU) im Mai 2020 während der Corona Pandemie bereits im neuen Fachgerichtszentrum und die amtierende Ministerin Frau Dr. Kathrin Wahlmann (SPD) im Juni 2023.
Und an dieser Stelle ergibt sich nun auch die Antwort auf die in der Überschrift gestellte Ausgangsfrage nach dem Zusammenhang mit dem Land in Ostafrika…nicht nur aufgrund der fehlenden zeitlichen Kongruenz keine echte Kenia-Koalition, aber irgendwie war doch die Trikolore in schwarz/rot/grün auf Ministerinnenebene zu Besuch im Finanzgericht.
In jedem Fall übergeben wir nunmehr die Pressearbeit mit einem guten Gefühl an Nina Sombeck und Dr. Matthias Wuthenow."
Nina Sombeck ist seit 2016 Richterin am Niedersächsischen Finanzgericht und dort seit 2019 im 2. Senat tätig. Vor ihrem Eintritt in die Niedersächsische Justiz im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit war sie für zwei Jahre als Rechtsanwältin in einer internationalen Großkanzlei im Steuerrecht tätig.
Präsidentin des FG Petra Hager: "Den bisherigen Pressesprechern Bartels und Keß danke ich herzlich für ihre langjährige und engagierte Arbeit in der Pressestelle des Niedersächsischen Finanzgerichts. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit dem neuen Presseteam."
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erstellt am:
16.07.2025