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Newsletter 3/2025 vom 19. Februar 2025

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Entscheidung des Niedersächsischen Finanzgerichts


Betriebsausgabenabzug im Zusammenhang mit dem Betrieb von steuerfreien Photovoltaikanlagen

9 K 83/24 - Urteil vom 11. Dezember 2024

Der 9. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat entschieden, dass die Rückzahlung von in den Jahren vor 2022 erzielten Einspeisevergütungen beim Betrieb einer nach § 3 Nr. 72 EStG steuerbefreiten Photovoltaikanlage im Jahr 2022 als Betriebsausgabe abzugsfähig ist.

Im zugrunde liegenden Fall betrieb eine Ehegatten-GbR eine Photovoltaikanlage und ermittelte ihren Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung. Aufgrund einer im Jahr 2022 geleisteten Rückzahlung von Einspeisevergütungen aus den Vorjahren stellte sich die Frage, ob diese Rückzahlung steuermindernd als Betriebsausgabe berücksichtigt werden kann, obwohl die Betriebseinnahmen aus der Photovoltaikanlage durch die Einführung des § 37 Nr. 72 Satz 1 EStG mit Wirkung ab dem 1. Januar 2022 steuerfrei gestellt sind.

Das Gericht stellte fest, dass § 3c Abs. 1 EStG einer Abzugsfähigkeit nicht entgegensteht, da diese Norm den Betriebsausgabenabzug nur ausschließt, wenn die im unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden Betriebseinnahmen steuerfrei sind. Da die ursprünglichen Einnahmen aus den Einspeisevergütungen vor 2022 steuerpflichtig waren, entfällt eine Anwendung dieser Regelung. Zudem enthält § 3 Nr. 72 Satz 2 EStG nach Auffassung des Gerichts kein generelles Gewinnermittlungsverbot. Die Vorschrift entlaste den Betreiber eines „Nur-Photovoltaikbetriebs“ lediglich von der Erstellung einer Gewinnermittlung. Daher bleibt die Rückzahlung einer früher versteuerten Betriebseinnahme auch dann als Betriebsausgabe abzugsfähig, wenn spätere Betriebseinnahmen von der Steuer befreit sind.

Die Entscheidung dürfte für viele Betreiber von Photovoltaikanlagen von Bedeutung sein.

Das beklagte Finanzamt hat die zugelassene Revision eingelegt, die beim Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen AZ: X R 2/25 geführt wird.

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Weitere Entscheidung des Finanzgerichts


Bemessung des Teilwertes von Genossenschaftsanteilen im Rahmen einer Entnahme

3 K 11079/21 - Urteil vom 13. November 2024

1. Für die Bemessung des Teilwertes von Geschäftsanteilen an einer Genossenschaft sind die gesellschaftsrechtlichen Besonderheiten der Genossenschaft ebenso zu berücksichtigen wie die konkreten Satzungsregelungen der Genossenschaft im Einzelfall.

2. Der Teilwert ist danach jedenfalls dann nicht mit dem Nennwert der Geschäftsanteile zu bemessen, wenn eine eng umgrenzte, ausschließlich aus Familienmitgliedern bestehende Genossenschaft mit erheblichen Kapitalrücklagen vorliegt. Bei einer solchen Familiengenossenschaft kommen die genossenschaftsrechtlichen Besonderheiten nicht in dem Maße zum Tragen wie bei einer typischen Publikumsgenossenschaft.

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Umsatzsteuerpflicht von Privatkrankenhäusern

5 K 256/17 - Urteil vom 15. Januar 2025

1. Auf die Steuerfreiheit des Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL kann sich eine Privatklinik nicht berufen, wenn ihre Krankenhausleistungen nicht unter Bedingungen erbracht werden, die mit den Bedingungen für Einrichtungen des öffentlichen Rechts in sozialer Hinsicht vergleichbar sind.

2. Zur Vergleichsgruppe gehören alle nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäuser, da unabhängig von der Trägerschaft der Einrichtung nach dem gesetzgeberischen Willen alle hiernach zugelassenen, der öffentlichen Krankenversorgung dienenden somatischen Krankenhäuser - und damit auch die entsprechenden Einrichtungen des öffentlichen Rechts - hinsichtlich der Abrechnung ihrer voll- und teilstationären Krankenhausleistungen den Regelungen des KHEntgG und des KHG unterliegen.

3. Krankenhausleistungen sind nicht mehr mit den Bedingungen für Einrichtungen des öffentlichen Rechts in sozialer Hinsicht vergleichbar, wenn für Krankenhausleistungen entgegen § 17 Abs. 1 Satz 5 KHG höhere Entgelte verlangt werden, als nach den Regelungen des KHEntgG und des KHG entsprechend den sog. DRG-Fallpauschalen abrechenbar wären.

4. Insbesondere steht der Vergleichbarkeit mit Einrichtungen des öffentlichen Rechts entgegen, wenn die Krankenhausleistungen eines somatischen Krankenhauses entgegen den Regelungen des KHEntgG und des KHG nach sog. tagesgleichen von der Verweildauer der Patienten im Krankenhaus abhängigen Pflegesätzen und nicht nach den DRG-Fallpauschalen abgerechnet werden.

5. An der sozialen Vergleichbarkeit fehlt es zudem, wenn die Kosten der Krankenhausleistungen nicht durch das System der sozialen Sicherheit oder aufgrund von Vereinbarungen mit den Behörden eines EU-Mitgliedstaates übernommen werden.

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Rechtsbindungswillen bei Versorgungsverträgen

9 K 10007/22 - Urteil vom 27. November 2024

1. Es steht der steuerlichen Anerkennung der Zahlungen eines versorgungsvertraglich geschuldeten monatlichen Baraltenteils nicht entgegen, dass bereits vor Vertragsschluss Zahlungen in gleicher Höhe und Regelmäßigkeit geleistet worden sind, wenn keine Anhaltspunkte für eine andere Rechtsgrundlage als eine Schenkung für die früheren (vorvertraglichen) Zahlungen ersichtlich sind und die fortgesetzten Zahlungen durch den Versorgungsvertrag lediglich auf eine formelle schuldrechtliche Grundlage gestellt worden sind.

2. Der Zahlungsumweg des Baraltenteils über das Konto der Ehegattin des Zahlungsverpflichteten stellt jedenfalls dann eine bloße Modalität der Zahlungsabwicklung dar, wenn der Zahlungsverpflichtete seiner Ehegattin den Betrag noch vor Fälligkeit des Baraltenteils erstattet.

3. Bei fehlenden entgegenstehenden Anhaltspunkten stellt die bloße Unterlassung der versorgungsvertraglich geschuldeten Erhöhung des monatlichen Baraltenteils keine den Rechtsbindungswillen aufhebende Zäsur im Sinne eines Sich-nicht-mehr-an-die-vertraglichen-Abreden-Gebundenfühlens dar, sondern ist im Gegenteil eher als bloße Fortführung des ursprünglichen Rechtsbindungswillens zu sehen, bei der lediglich die Durchführung versehentlich nicht zum vertraglich geschuldeten Zeitpunkt aktualisiert wurde.

4. Im Fall einer dauerhaften Überzahlung des monatlichen Baraltenteils ist es jedenfalls für die steuerliche Anerkennung des versorgungsvertraglich geschuldeten Teils des Baraltenteils unschädlich, wenn neben die versorgungsvertraglich veranlasste Zahlung auch eine privat (durch das Verwandtschaftsverhältnis) veranlasste Zahlung tritt, da diese dem versorgungsvertraglich geschuldeten Teil nicht seine obligatorische Natur nimmt und damit einen (insoweit) vorher bestehenden Rechtsbindungswillen nicht durch die privat veranlasste Zusatzleistung auslöscht.

5. Im Rahmen der für die Feststellung des Rechtsbindungswillens vorzunehmenden Gesamtwürdigung ist der Wert des Wohnrechts mit der fiktiven Jahresmiete zu berücksichtigen. Diese Bewertung schlägt indes nicht auf die Höhe des Sonderausgabenabzugs durch. Hier bleibt der Abzug der Höhe nach auf die tatsächlichen Aufwendungen beschränkt.

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Gebühren für die Erteilung einer verbindlichen Auskunft in Mehrpersonenverhältnissen

9 V 197/24 - Beschluss vom 15. Januar 2025

Es ist ernstlich zweifelhaft, dass die einheitliche Erteilung einer verbindlichen Auskunft gegenüber mehreren Antragstellern mit der Folge der Entstehung einer einzigen Gebühr nach § 89 Abs. 3 Satz 2 AO nur in den Sachverhaltskonstellationen des § 1 Abs. 2 Satz 1 StAuskV möglich ist.

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Die Volltexte der genannten Entscheidung sowie weitere Entscheidungen des Niedersächsischen Finanzgerichts ab dem 1. Januar 2000 können Sie über das Niedersächsisches Vorschrifteninformationssystem (NI-VORIS) abrufen.

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Gut zu wissen

Kann ich mich im finanzgerichtlichen Verfahren auf frühere Urteile berufen?

In Deutschland gibt es – anders als in den USA oder Großbritannien – kein Case Law im Sinne einer strikten Bindung an frühere Gerichtsentscheidungen. Jedes Gericht entscheidet eigenständig, ist jedoch gehalten, die bestehende Rechtsprechung zu berücksichtigen, um eine einheitliche und vorhersehbare Rechtsanwendung zu gewährleisten. Besonders Urteile des Bundesfinanzhofs haben großes Gewicht, da sie als Leitlinien für die Auslegung des Steuerrechts dienen. Weicht ein Finanzgericht von der Entscheidung eines anderen Finanzgerichts oder des Bundesfinanzhofs, hat es jedoch die Revision zuzulassen, damit der Bundesfinanzhof durch eine (erneute) Entscheidung eine einheitliche Rechtsanwendung sicherstellen kann.

Ändert sich die gesetzliche Grundlage, verliert ein älteres Urteil jedoch oft seine Relevanz. Zudem können selbst kleine Unterschiede in den tatsächlichen Umständen eines Falles zu einer abweichenden Entscheidung führen. Wer sich im finanzgerichtlichen Verfahren auf frühere Urteile berufen will, sollte daher genau prüfen, ob die betreffende Entscheidung tatsächlich vergleichbar ist und ob sie in der aktuellen Rechtslage noch Bestand hat.

Neues aus dem Finanzgericht
  Bildrechte: Nds. FG
Niedersächsische Finanzrichterinnen und -richter beim Deutschen Finanzgerichtstag in Köln

Eine Gruppe von Richterinnen und Richtern des Niedersächsischen Finanzgerichts nahm am diesjährigen 21. Deutschen Finanzgerichtstag in Köln teil, der unter dem Motto "Stand und Entwicklung des Steuerrechts in unsteten Zeiten" stand. Die Tagung bot hochkarätige Fachvorträge und Diskussionen zu aktuellen steuerrechtlichen Entwicklungen.

Besondere Aufmerksamkeit galt dem beeindruckenden Eröffnungsvortrag, der kurzfristig durch den Journalisten und Philosophen Jürgen Wiebicke gehalten wurde, der dazu aufrief, sich auch in Zeiten schlechter Nachrichten nicht entmutigen zu lassen und sich uneigennützig zu engagieren. Ursprünglich war ein Beitrag des ehemaligen Bundesinnenministers Gerhart Baum geplant. Leider musste Baum am Vortag ins Krankenhaus eingeliefert werden und verstarb am 15. Februar 2025 im Alter von 92 Jahren. Sein Engagement für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit wurde während der Tagung vielfach gewürdigt.

Zu den weiteren Themen der Veranstaltung zählten unter anderem das Leistungsfähigkeitsprinzip im Steuerrecht, aktuelle Entwicklungen im finanzgerichtlichen Rechtsschutz sowie verfassungsrechtliche Grenzen steuerrechtlicher Mitwirkungspflichten. Auch praxisnahe Fragen, wie die Besteuerung von Mitarbeiterbeteiligungen und Herausforderungen in Betriebsprüfungen, wurden beleuchtet.

Die Tagung bot wertvolle Einblicke in zentrale Fragen des Steuerrechts und ermöglichte einen regen Austausch innerhalb der Richterschaft. Der Finanzgerichtstag 2025 zeigte erneut seine Bedeutung als Plattform für den steuerrechtlichen Diskurs.

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Artikel-Informationen

erstellt am:
19.02.2025

Ansprechpartner/in:
Frau Andrea-Alexandra Bartels

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