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Newsletter 13/2023 vom 15. November 2023

Entscheidungen des Niedersächsischen Finanzgerichts

Az. 5 K 45/22 – Urteil vom 12.10.2023

Die sog. Schutzmaskenpauschale nach § 5 Abs. 1 der Coronavirus-Schutzmasken-Verordnung in der Fassung vom 14. Dezember 2020 unterliegt der Umsatzsteuer.

1. Die Apothekerinnen und Apotheker haben die sog. Schutzmaskenpauschale des § 5 Abs. 1 SchutzmV als Gegenleistung für die Abgabe bzw. die Bereitschaft zur Abgabe von Schutzmasken nach § 4 Abs. 1 SchutzmV an die anspruchsberechtigten Personen in der sog. Phase 1 nach § 2 Abs. 1 SchutzmV im Rahmen eines steuerbaren und steuerpflichtigen Leistungsaustausches erhalten.


2. Für den steuerbaren Leistungsaustausch ist es ausreichend, dass zwischen den Apotheken und der gesetzlichen Krankenversicherung ein Rechtsverhältnis nach Maßgabe der SchutzmV bestanden hat, in dessen Rahmen tatsächlich gegenseitige Leistungen ausgetauscht worden sind und die von den leistenden Apotheken empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte Lieferung bzw. sonstige Leistung in Gestalt der Abgabe der Schutzmasken bzw. der Bereitschaft hierzu bildet.


Mit Entscheidungen vom 12. Oktober 2023 (Az. 5 K 45/22) und vom 3. August 2023 (Az. 5 K 136/22) hat der 5. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts entschieden, dass Apothekerinnen und Apotheker mit der Abgabe von Schutzmasken aufgrund der Coronavirus-Schutzmasken-Verordnung (SchutzmV) im Zeitraum vom 15. Dezember 2020 bis 6. Januar 2021 (sog. Phase 1) an besonders vulnerable Personengruppen umsatzsteuerbare und umsatzsteuerpflichtige Leistungen erbracht und dafür die Schutzmaskenpauschale als Gegenleistung erhalten haben.

Hintergrund der Entscheidung waren Zweifel an dem Vorliegen eines für die Umsatzbesteuerung erforderlichen Leistungsaustauschs, weil die Apotheken in Deutschland diese pauschale Zahlung nach Auffassung der Kläger unabhängig von der tatsächlichen Abgabe von Schutzmasken erhalten hätten.

Der 5. Senat bejahte einen umsatzsteuerbaren Leistungsaustausch. Die Apotheken seien durch die SchutzmV in die Erfüllung des Anspruchs der besonders vulnerablen Personengruppen auf Schutzmasken gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung eingeschaltet worden. Die Krankenkassen stellen den gesetzlich Krankenversicherten nach dem sog. Sachleistungsprinzip die Leistungen zur Verhütung von Krankheiten zur Verfügung, zu denen auch die Abgabe von Schutzmasken der auf der Grundlage der SchutzmV zählt. Das Sachleistungsprinzip der gesetzlichen Krankenversicherung sei auch für den auf nicht gesetzlich Versicherte ausgedehnten Anspruch übertragbar. Daher hätten die Apotheken in der „Phase 1“ im Rahmen des durch die SchutzmV begründeten Rechtsverhältnisses in Erfüllung der Ansprüche der besonders vulnerablen Personen Lieferungen von Schutzmasken an die gesetzliche Krankenversicherung erbracht. Hierfür sei den Apotheken die Schutzmaskenpauschale gezahlt worden. Die innere Verknüpfung der Schutzmaskenpauschale mit der Abgabe der Schutzmasken begründete der 5. Senat mit der den Apotheken in Deutschland obliegenden, im öffentlichen Interesse gebotenen Verpflichtung zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln nach dem Apothekengesetz und der damit verbundenen Versorgung besonders vulnerabler Personengruppen mit Schutzmasken nach der SchutzmV zur Bewältigung der COVID-19-Pandemie.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat der 5. Senat die Revision zugelassen. Diese wurde vom unterlegenen Kläger in dem Rechtsstreit zum Aktenzeichen 5 K 136/22 nicht eingelegt. Die Entscheidung zum Aktenzeichen 5 K 45/22 ist noch nicht rechtskräftig.

Weitere Entscheidung
des Finanzgerichts


Az. 5 K 57/22 – Urteil vom 24.11.2023
Zur Besteuerung von Umsätzen in einem Biergarten als Restaurationsumsätze

Der Inhaber eines gepachteten Verkaufsstands in einem Biergarten erbringt vor Inkrafttreten des § 12 Abs. 2 Nr. 15 UStG dem Regelsteuersatz unterliegende sonstige Leistungen, wenn er an Biergartenbesucher gegen Entgelt Speisen abgibt und aufgrund des Pachtvertrags mit der Betreiberin des Biergartens berechtigt ist, seinen Kunden die Infrastruktur des Biergartens (insb. Bierzeltgarnituren und Toiletten) im Hinblick auf den Verzehr zur Verfügung zu stellen.

rechtskräftig
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Az. 7 K 257/20 – Urteil vom 14.12.2022

Schätzungsbefugnis bei Führung einer PC-Kasse ohne festes Zuordnungskriterium (Datensatznummer)

Werden Einzelaufzeichnungen nach Erstellung des Tagesendsummenbons (Z-Bons) nachträglich programmseitig umorganisiert, so dass das einmal chronologisch vergebene Zuordnungskriterium (Datensatznummer) gelöscht wird, besteht aufgrund nicht ordnungsgemäßer Kassenführung eine Schätzungsbefugnis dem Grunde nach.

gleichlautende Entscheidungen des Nieders Finanzgerichts: Az. 7 K 259/20 – Urteil vom 14.12.2022 und Az. 7 K 261/20 – Urteil vom 14.12.2022

(jeweils aufgehoben durch BFH, Beschluss vom 29.8.2023 - X B 18-20/23)

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Az. 8 K 203/20 – Urteil vom 18.01.2022
Zur Frage der Wiedereinsetzung bei defektem Faxgerät

Nutzt ein Kläger zum Übersenden fristwahrender Schriftsätze kurz vor Fristablauf ein Faxgerät, handelt er fahrlässig und damit nicht ohne Verschulden i.S.d. § 56 Abs. 1 FGO, wenn er sich nicht hinreichend mit grundlegenden Funktionen seines Faxgerätes vertraut gemacht hat.

rechtskräftig

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Die Volltexte der genannten Entscheidungen sowie weitere Entscheidungen des Niedersächsischen Finanzgerichts ab dem 1. Januar 2000 können Sie über das abrufen.

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Gut zu wissen

"Raus hier!" - Der Ausschluss der Öffentlichkeit aus der mündlichen Verhandlung beim Finanzgericht

In der Bundesrepublik Deutschland gilt grundsätzlich der Grundsatz der Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen. Prozesse sind also für jedermann öffentlich zugänglich, sodass sie vor den Augen der Allgemeinheit stattfinden. Es handelt sich um ein zentrales Element unserer Justiz, einen Eckpfeiler der demokratischen Rechtsordnung.

Diese Offenheit dient verschiedenen Zwecken. Zum einen ermöglicht sie eine Kontrolle der Rechtsprechung durch die Öffentlichkeit, Medien und Interessengruppen. Zum anderen trägt sie zur Bildung eines Vertrauensverhältnisses zwischen Justiz und Bürgern bei.

Doch die Öffentlichkeit ist nicht ausnahmslos. So gibt es Gründe für den Ausschluss der Öffentlichkeit. In Familiengerichten kann beispielsweise der Schutz der Persönlichkeitsrechte von Kindern oder der Schutz vor öffentlicher Bloßstellung von familiären Angelegenheiten eine Rolle spielen. Im Jugendstrafrecht wird die Öffentlichkeit oft aus Rücksicht auf die Resozialisierung von jugendlichen Straftätern ausgeschlossen.

Während der Ausschluss der Öffentlichkeit in den anderen Gerichtsbarkeit besonderer Gründe bedarf, bestimmt die Finanzgerichtsordnung (in § 52 Abs. 2), dass die Öffentlichkeit auszuschließen ist, "wenn ein Beteiligter, der nicht Finanzbehörde ist, es beantragt". Der Ausschluss der Öffentlichkeit im finanzgerichtlichen Verfahren steht also nicht im Ermessen des Gerichts, vielmehr haben klagende Steuerpflichtige und zum Verfahren Beigeladene (nicht aber das beklagte Finanzamt) einen Anspruch, ohne diesen in ihrem Antrag besonders begründen zu müssen.

Die Hintergründe für diesen weitgehenden Ausschluss der Öffentlichkeit liegen im Steuergeheimnis begründet.
Nach § 30 der Abgabenordnung dürfen Amtsträger, also insbesondere Beamte und Richter, keine Informationen offenbaren, die ihnen im Rahmen eines steuerlichen Verfahrens bekannt geworden sind. Das Steuergeheimnis ist die Kehrseite der weitgehenden Pflicht der Steuerpflichtigen, sämtliche steuerrechtlich relevanten Informationen im Besteuerungsverfahren zu offenbaren, also auch etwa hochsensible private Angelegenheiten oder Geschäftsgeheimnisse. Das Steuerrecht verpflichtet den Bürger sogar, illegale Machenschaften offen zu legen, wenn Sie für die Besteuerung relevant sind. Etwa dann, wenn er mit regelmäßigen Bestechungszahlungen gewerbliche Einkünfte erzielt.
Und auch in solchen Fällen offenbarte Informationen unterfallen - jedenfalls bis zu einer Grenze - dem Steuergeheimnis.

Die Finanzgerichtsordnung räumt dem Steuergeheimnis also einen Vorrang gegenüber dem Grundsatz der Öffentlichkeit des Prozesses ein. Es stellt den Schutz der Informationen des Steuerpflichtigen uneingeschränkt über den Schutz des transparenten Gerichtsverfahrens.

Obwohl die Öffentlichkeit ausgeschlossen ist, haben die Vertreter des beklagte Finanzamts freilich weiterhin das Recht, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen. Das betrifft u.U. auch einen Angehörigen der Steuerfahndung, der ebenfalls als (Unter-) Bevollmächtigter oder als Beistand des Finanzamts auftreten kann.


Neues aus dem
Niedersächsischen
Finanzgericht

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Finanzgericht begrüßt Dr. Martin Mönninghoff als neuen Richter

Am 1. November hat Herr Dr. Martin Mönninghoff seinen Dienst als Richter am Niedersächsischen Finanzgericht angetreten.

Herr Dr. Mönninghoff begann seine berufliche Laufbahn nach dem Abitur mit einem dualen Studium im gehobenen Dienst der nordrhein-westfälischen Finanzverwaltung beim Finanzamt Steinfurt und der Fachhochschule für Finanzen in Nordkirchen. Nach erfolgreichem Abschluss nahm er das Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Osnabrück auf, in welchem er einen steuerrechtlichen Schwerpunkt belegte und dieses mit dem ersten juristischen Staatsexamen abschloss. Im Nachgang promovierte Herr Dr. Mönninghoff am Osnabrücker Institut für Finanz- und Steuerrecht bei Prof. Steffen Lampert. Während des Referendariats am OLG Oldenburg war er unter anderem beim Bundesministerium der Finanzen sowie am Bundesfinanzhof tätig. Nach Abschluss des zweiten juristischen Staatsexamens war Herr Dr. Mönninghoff zunächst als Rechtsanwalt auf dem Gebiet des Steuer- sowie Steuerstrafrechts beschäftigt, ehe er in den höheren Dienst der niedersächsischen Finanzverwaltung wechselte.

Am Niedersächsischen Finanzgericht gehört er dem für allgemeine Ertragsteuern zuständigen 12. Senat an.

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Schülerpraktikum beim Niedersächsischen Finanzgericht

Vom 23. bis 27. Oktober 2023 hat Julian Brockmann ein Praktikum beim Niedersächsischen Finanzgericht absolviert und Einblicke in die Welt der Justiz gewonnen.

Der 18-jährige Herr Brockmann ist derzeit Schüler am Sybilla-Merian-Gymnasium in Meinersen. Da er sich schon lange für Fragen von Recht und Gerechtigkeit interessiert, entschied er sich für ein Praktikum beim Niedersächsischen Finanzgericht, um seine Interessen näher zu erkunden

Während seines Praktikums wurde Herr Brockmann von Christoph Schirp, dem Vorsitzenden Richter des u.a. für die Umsatzsteuer zuständigen 5. Senats betreut. Er erhielt Einblicke in die Abläufe der finanzgerichtlichen Verfahren und in die Tätigkeit eines Finanzrichters. "Außerdem wurden mir Inhalt und Aufbau des Jura-Studiums und die Voraussetzungen, um Richter zu werden, erläutert", berichtet Brockmann. "Am interessantesten fand ich die Teilnahme an den mündlichen Verhandlungen des Gerichts, weil man hier den Fall von den Klägern und dem Finanzamt selbst hören konnte und auch verschiedene Argumentationsweisen und Perspektiven kennenlernen konnte", sagt er und resümiert: "Durch das Praktikum konnte ich einen großen Schritt in meiner Berufsorientierung gehen".

Wer ebenfalls Interesse an einem Praktikum beim Niedersächsischen Finanzgericht hat, kann sich bei RiFG Dr. Christian Gercke (0511/89750-474) informieren und melden.

Artikel-Informationen

erstellt am:
15.11.2023
zuletzt aktualisiert am:
23.11.2023

Ansprechpartner/in:
Frau Andrea-Alexandra Bartels

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