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Newsletter 12/2025 vom 19. November 2025

Entscheidung des Niedersächsischen Finanzgerichts


5 K 160/24 - Urteil vom 7. August 2025
Erlass von Nachzahlungszinsen zur Umsatzsteuer aus sachlichen Billigkeitsgründen

Mit Urteil vom 7. August 2025 hat der 5. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts das beklagte Finanzamt verpflichtet, der Klägerin Nachzahlungszinsen zur Umsatzsteuer aus sachlichen Billigkeitsgründen nach § 227 AO zu erlassen.

Die Klägerin hatte Lieferungen aus einem anderen Mitgliedsstaat ursprünglich zutreffend als innergemeinschaftliche Erwerbe mit Vorsteuerabzug behandelt. Die BP vertrat demgegenüber die Auffassung, der Ort der Lieferung sei im Inland. Nachdem der Beklagte auch dem Lieferer gegenüber vertrat, seine Lieferungen seien im Inland steuerbar und steuerpflichtig, erteilte der Lieferer der Klägerin nachträglich Rechnungen mit offenem Umsatzsteuerausweis, woraufhin die Klägerin – dem Standpunkt der BP folgend – die ausgewiesene Steuer für das Jahr der Rechnungsberichtigungen als Vorsteuer geltend machte und den daraus entstehenden Erstattungsbetrag sodann an den Lieferer zahlte.

Nachdem das Nds. FG und BFH der Klage des Lieferers gegen die Behandlung der Lieferungen als im Inland steuerpflichtig stattgegeben hatten, rückte das Finanzamt auch gegenüber der Klägerin von seiner unzutreffenden Rechtsauffassung wieder ab. Der Lieferer korrigierte seine Rechnungen erneut, so dass die Berücksichtigung der Vorsteuer für das Jahr der ersten Rechnungsberichtigung rückgängig zu machen war. Hierdurch entstanden Nachzahlungszinsen in beträchtlicher Höhe.

Der 5. Senat entschied, dass diese Nachzahlungszinsen zu erlassen seien. Der Irrtum über das Vorliegen einer vom Lieferer zu versteuernden Inlandslieferung anstelle eines von der Klägerin zu versteuernden innergemeinschaftlichen Erwerbs sei insoweit mit den sog. § 13b-Fällen (gemeinsamer Irrtum über die Steuerschuldnerschaft) vergleichbar, in denen die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Erlass von Nachzahlungszinsen zur Umsatzsteuer bei der Beurteilung des Liquiditätsvorteils ausnahmsweise die Verwendung einer unberechtigten Steuererstattung durch den Steuerpflichtigen berücksichtige.


Das Urteil ist rechtskräftig.

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Weitere Entscheidungen des Niedersächsischen Finanzgerichts

4 K 231/20 - Urteil vom 1. November 2023
Kassenführung bei Einzelaufzeichnungspflicht und Abzugsfähigkeit eines Verzögerungsgeldes

1. Keine ordnungsgemäße Kassenführung bei Einzelaufzeichnungspflicht durch „Kassenabrechnungen“ und Belegablage ohne dokumentierten Nachweis des Istbestandes.

2. Ein Verzögerungsgeld im Sinne von § 146 Abs. 2c AO ist nicht als Betriebsausgabe abzugsfähig.


Zulassung der Revision durch BFH (BFH X R 32/24).

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9 K 11023/22 - Urteil vom 27. November 2024
Kürzung der Altenteiler-Versorgungsleistungen auf Basis neuer Ertragsprognose bei Umstellung des übertragenen Betriebs von Eigenbewirtschaftung auf Betriebsverpachtung


1.Die strukturelle betriebliche Umstellung des übertragenen Betriebs von der Eigenbewirtschaftung hin zu einer Betriebsverpachtung hat eine nicht lediglich unerhebliche Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse zur Folge, die eine neue Ertragsprognose erforderlich macht.

2.Vor dem Hintergrund des Fremdvergleichsgrundsatzes gilt dies ungeachtet dessen, ob die an dem Versorgungsvertrag Beteiligten von ihrer vertraglich vereinbarten Änderungsmöglichkeit tatsächlich Gebrauch machen oder nicht.

3.Vorbehaltlich eines Verhaltens wider Treu und Glauben (§ 242 BGB) kommt es nicht darauf an, ob die im Zeitpunkt des Übergabevertragsschlusses prognostizierten Nettoerlöse bei unveränderter (ursprünglicher) Eigenbewirtschaftung weiter „objektiv“ erzielbar wären, wenn die tatsächliche Bewirtschaftungsform hiervon abweicht. Wenngleich der Begriff der „erzielbaren“ Erlöse in Abgrenzung zu den tatsächlich „erzielten“ Erlösen abstrakt zu bestimmen ist, hat sich die Erzielbarkeit gleichwohl an dem konkreten Betrieb (einschließlich dessen Bewirtschaftungsform) zu orientieren.

4.Die neue Ertragsprognose ist nicht auf die in den Streitjahren tatsächlich erzielte Nettopacht beschränkt. Gleichwohl darf für diese im Schätzungswege vorzunehmende Prognose auf die tatsächlich durch den verpachteten Betrieb erzielten Nettoerlöse zurückgegriffen werden.

Zulassung der Revision durch FG (BFH X R 7/25)

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Die Volltexte der genannten Entscheidung sowie weitere Entscheidungen des Niedersächsischen Finanzgerichts ab dem 1. Januar 2000 können Sie über das Niedersächsische Vorschrifteninformationssystem (NI-VORIS) abrufen.

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Gut zu wissen

Wieso tragen Richter/innen eigentlich eine Robe?

Das Tragen einer Robe – auch als „Amtstracht“ bezeichnet – wird für Richterinnen und Richter wie für Staatsanwälte vorgeschrieben. Nach § 2 Abs. 1 Niedersächsisches Richtergesetz i.V.m. § 56 Niedersächsisches Beamtengesetz ergibt sich die genaue Regelung der Amtstracht aus der Anordnung über die Amtstracht im Geschäftsbereich des Justizministeriums (AV des MJ vom 28.12.2022, Nds. Rpfl. 2023, 254). Diese regelt, dass u.a. Berufsrichter, Staatsanwälte, Amtsanwälte sowie Rechtsreferendare eine Amtstracht in der mündlichen Verhandlung und bei Verkündung einer Entscheidung zu tragen haben.

Wie die Amtstracht aussehen muss, ist ebenso klar geregelt: Sie besteht aus einer schwarzen Robe, an der ein Besatz getragen wird. Letzterer ist in der ordentlichen und in der Arbeitsgerichtsbarkeit schwarz, in der Sozial-, Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit violett. Auch wird vorgeschrieben, dass dazu eine weiße Bluse ggf. mit weißem Schal oder ein weißes Hemd mit Kragen und mit weißem Lang- oder Querbinder zu tragen ist.

Das Tragen einer Amtstracht dient der Unterstreichung der Neutralität und Würde des Gerichts. Die Robe dient dazu, die persönliche Individualität des Richters in den Hintergrund zu stellen und die Funktion als unparteiisches Organ der Rechtspflege hervorzuheben (BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2020 – 2 BvR 1333/17 –, BVerfGE 153, 1-72, Rn. 90).

Das Tragen einer Amtstracht hat seinen Ursprung bereits im Mittelalter. So trugen Richter und Schöffen spezielle Kleidung, um sich von anderen Prozessbeteiligten abzuheben. In Hamburg beispielsweise trugen Richter und Schöffen Umhänge oder Mäntel mit hängenden, geschlitzten Ärmeln, was eine gewisse Einheitlichkeit und Unterscheidbarkeit schuf. Dieser Brauch wurde später durch den sogenannten "Bürgermantel" fortgeführt, der an heutige Richterroben erinnert (mit weiteren Ausführungen zur Entwicklung der Amtstracht in Hamburg: Landesarbeitsgericht Hamburg, Beschluss vom 19. März 1991 – 6 SHa 21/90 –, juris).

Aktuelles aus dem Finanzgericht
  Bildrechte: Nds. Finanzgericht
Nicola Tsalikis

Neue Geschäftsleiterin Frau Nicola Tsalikis

Am 1. November 2025 hat Frau Nicola Tsalikis ihren Dienst als Geschäftsleiterin am Niedersächsischen Finanzgericht angetreten.

Frau Tsalikis begann ihre berufliche Laufbahn 1990 bei der Bezirksregierung Hannover im allgemeinen Verwaltungsdienst. Mit der Auflösung der Behörde im Jahre 2005 wechselte sie zur Polizeidirektion Hannover. Im Anschluss war sie 11 Jahre bei der Oberfinanzdirektion Niedersachsen, bzw. dem Niedersächsischen Landesamt für Bau und Liegenschaften tätig. Die letzten 4 Jahre arbeitete Frau Tsalikis im Umwelt- und im Wirtschaftsministerium.

Ihr dienstlicher Werdegang umfasst u.a. mehrere Jahre Führungsverantwortung in zwei Geschäftsstellen der Polizeiverwaltung sowie mehrjährige Berufserfahrung im Zentralen Dienst der Bau- und Steuerverwaltung, in den Bereichen Haushalt, Personal, Organisation, Controlling und Vergabe. Als stellvertretende Personalratsvorsitzende war sie zudem 3 Jahre in allen Personal-, und Organisationsangelegenheiten ihrer ehemaligen Dienststelle eingebunden. Diese umfassten Personalauswahlverfahren, Themen der Arbeitssicherheit, des Gesundheitsmanagements und der Geschäftsverteilung.

Erfahrungen im Projektmanagement konnte sie als Projektleiterin zur Einrichtung des elektronischen Reisekostenmanagementverfahrens im Staatlichen Baumanagement Niedersachsen und als Mitglied der Projektgruppe Flüchtlingsunterbringung Niedersachsen sammeln.

Wir heißen Frau Tsalikis herzlich willkommen und wünschen Ihr einen tollen Start im Niedersächsischen Finanzgericht.


  Bildrechte: Nds. Finanzgericht
Niedersächisches Finanzgericht zu Gast bei VfS & Friends

Niedersächsisches Finanzgericht bei VFS & Friends

Am 29. Oktober 2025 nahm das Pressesprecherteam zusammen mit den Richterinnen Caroline Caspari und Carina Teuber sowie dem Richterkollegen Thomas Keß für das Niedersächsische Finanzgericht an einer vom Verein zur Förderung der Steuerrechtswissenschaft an der Leibniz-Universität Hannover e.V. (VFS) ausgerichteten Karrieremesse teil.

Im Hochhaus auf dem Conti-Campus der Universität Hannover gab es Gelegenheit, Fragen zu Tätigkeitsmöglichkeiten am Niedersächsischen Finanzgericht zu beantworten und mit Studierenden der Rechts- und auch Wirtschaftswissenschaften ins Gespräch zu kommen. Wir bedanken uns beim VFS für die Einladung und Ausrichtung der Veranstaltung!

Haben Sie Interesse an der Tätigkeit als Justizassistent/in (neben dem Referendariat) oder möchten Sie Ihre Wahlstation im Niedersächsischen Finanzgericht verbringen? Dann informieren Sie sich gerne auf den verlinkten Seiten und zögern Sie nicht, Herrn RiFG Dr. Christian Gercke unter den dort angegebenen Möglichkeiten für weitere Infos zu kontaktieren!

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Artikel-Informationen

erstellt am:
19.11.2025
zuletzt aktualisiert am:
20.11.2025

Ansprechpartner/in:
Herr Dr. Matthias Wuthenow

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