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Sachgerechter Maßstab zur Ermittlung beruflich veranlasster Übernachtungskosten

Der 9. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts (NFG) hat in seinem Urteil vom 30.10.2015 (Az.: 9 K 105/12) - soweit ersichtlich als erstes Finanzgericht - zur Frage der Ermittlung beruflich veranlasster Übernachtungskosten in den Fällen der Arbeitnehmerentsendung ins Ausland unter Begleitung von Familienangehörigen Stellung genommen. Das Gericht hält eine modifizierte Aufteilung nach Köpfen unter Berücksichtigung eines „fixen Sockelbetrags“ in Höhe von 20 v.H. des Gesamtaufwands für sachgerecht.

In dem zugrunde liegenden Sachverhalt war der Kläger im Jahr 2008 durch seinen Arbeitgeber für drei Jahre ins europäische Ausland entsandt worden. Hierzu hatte er für den Entsendungszeitraum mit der ausländischen Gastgesellschaft einen lokalen Arbeitsvertrag abgeschlossen, wobei dem inländischen Arbeitgeber ein jederzeitiges Rückrufrecht zustand. Neben der Zahlung eines laufenden Arbeitslohns enthielt der Arbeitsvertrag mit der ausländischen Gesellschaft Regelungen zum Ersatz diverser Aufwendungen, u.a. der Erstattung von Kosten für die Anmietung eines Hauses, welches der Kläger während seiner Auslandstätigkeit mit seiner mitreisenden Frau und Tochter zu Wohnzwecken nutzte.

Streitig blieb zwischen den Beteiligten, in welchem Umfang die Mietaufwendungen im Rahmen der Auswärtstätigkeit als beruflich veranlasster Aufwand steuerfrei durch den Arbeitgeber erstattet werden konnten. Hierzu hatte der Bundesfinanzhof (BFH) im Urteil vom 10.04.2014 (VI R 11/13, BFHE 245, 218, BStBl II 2014, 804) klargestellt, dass die anlässlich einer Auswärtstätigkeit anfallenden Übernachtungskosten insoweit nicht abzugsfähig seien, als sie auf dem Umstand beruhten, dass der Steuerpflichtige bei seiner Auswärtstätigkeit von seiner Familie begleitet werde.

In seinem Urteil hat sich der 9. Senat des NFG nun erstmals mit der Frage der schätzungsweisen Ermittlung des beruflich veranlassten Kostenanteils unter Berücksichtigung der Grundsätze des Großen Senats des BFH (Beschluss vom 21.09.2009 GrS 1/06, BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672) auseinandergesetzt. Dabei lehnte das NFG eine unmittelbare Übertragung der im Rahmen gemischter Aufwendungen anerkannten Aufteilungsmaßstäbe auf den Streitfall als nicht sachgerecht ab. Vielmehr sah sich der Senat veranlasst, zur Bestimmung des privat veranlassten Mehraufwands zunächst die auf die mitreisenden Familienmitglieder entfallenden Kostenanteile durch eine Aufteilung des Gesamtaufwands nach Köpfen zu ermitteln. In einem zweiten Schritt nahm das NFG dann eine Korrektur zugunsten des beruflichen Veranlassungsanteils in Höhe von 20 v.H. des Gesamtaufwands vor. Mit dieser Umverteilung trug der erkennende Senat dem Umstand Rechnung, dass ein Mindestaufwand als fixer Sockelbetrag unbeeinflusst von der Mitnahme der Familie regelmäßig für die Bewirtschaftung eines 1-Personenhaushalts anfällt. Die Annahme eines konstanten Sockelbetrags habe dabei zur Folge, dass der privat veranlasste Mehraufwand proportional mit der Zahl der mitreisenden Familienmitglieder ansteige. Dieses hielt das NFG für gerechtfertigt, da nach der Lebenserfahrung davon auszugehen sei, dass die Anzahl und Größe der gemeinschaftlich genutzten Räume der Zahl der Bewohner angepasst werde.

Die im Urteil behandelte Problematik der Ermittlung des privat veranlassten Mehraufwands hat auch nach der Reform des steuerlichen Reisekostenrechts zum 01.01.2014 Bedeutung für eine Vielzahl von Altfällen und ist zukünftig in gleicher Weise für die Neufassung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5a EStG relevant.

Die Revision wurde zugelassen. Ein Aktenzeichen des BFH liegt noch nicht vor.

Dr. Jörg Grune
Richter am Finanzgericht
Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

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Artikel-Informationen

erstellt am:
08.02.2016

Ansprechpartner/in:
Frau Andrea-Alexandra Bartels

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