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Finanzgerichtsprozess

a. Überblick

Die Verfahren vor den Finanzgerichten laufen nach den Vorschriften der Finanzgerichtsordnung ab. Es beginnt mit der Klagerhebung. Hiernach wird das Gericht den Streitfall zunächst im schriftlichen Verfahren vorbereiten und versuchen, ihn in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht aufzuklären. Kommt es nicht bereits in dieser Phase zu einer einvernehmlichen Erledigung der Sache, findet eine mündliche Verhandlung im Finanzgericht statt, in der ebenfalls eine einvernehmliche Beendigung des Verfahrens stattfinden kann. Geschieht dies nicht, entscheidet das Gericht durch Urteil.

b. Einleitung des Klageverfahrens

Das Klageverfahren wird durch die Erhebung der Klage eingeleitet. Die Klage kann entweder schriftlich erhoben werden oder während der Geschäftszeiten in der Geschäftsstelle des Gerichts persönlich zur Niederschrift erklärt werden.

Seit dem 1. Januar 2016 besteht auch die Möglichkeit unter Verwendung der qualifizierten elektronischen Signatur den elektronischen Rechtsverkehr für die Erhebung der Klage zu nutzen. Detaillierte Informationen hierzu finden Sie unter der Rubrik „Elektronischer Rechtsverkehr“.

Bei schriftlicher Klageerhebung ist die eigenhändige Unterschrift notwendig. Die Schriftform ist auch dann gewahrt, wenn das Original der eigenhändig unterzeichneten Klageschrift per Telefax übersandt wird.

Der notwendige Inhalt einer Klageschrift ergibt sich aus § 65 Abs. 1 FGO. Das Muster einer Klageschrift (für eine Anfechtungsklage gegen einen Steuerbescheid) finden Sie nebenstehend als PDF-Datei.

Besonders wichtig ist die Bezeichnung des Klagebegehrens. Dabei muss deutlich werden, welches konkrete Ziel mit der Klage erreicht werden soll (z.B. die Anerkennung weiterer Werbungskosten); nicht ausreichend ist die Bezeichnung des angegriffenen Bescheides. In den Fällen, in denen das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen geschätzt hat, weil keine Steuererklärung vorgelegt worden ist, gehört zur Bezeichnung des Klagebegehrens, dass die anzusetzenden Besteuerungsgrundlagen betragsmäßig genau bezeichnet werden (regelmäßig durch die Abgabe der vollständigen Steuererklärung).

Wenn die Klageschrift (oder die weiteren Schriftsätze im Verfahren) den Anforderungen an die Bezeichnung des Klagebegehrens nicht entspricht, kann das Gericht dem/der Kläger/in zur Ergänzung schriftlich eine Frist mit ausschließender Wirkung setzen (§ 65 Abs.- 2 Satz 2 FGO). Diese Frist muss unbedingt beachtet werden, da die Klage bei fruchtlosem Fristablauf regelmäßig endgültig unzulässig wird.

Beim Finanzgericht besteht kein Vertretungszwang. Es bleibt den Klägern jedoch unbenommen, einen Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt mit der Vertretung im Prozess zu beauftragen.


c. Ablauf des Verfahrens

Nach Eingang der Klageschrift bei Gericht erhalten die Beteiligten eine Eingangsbestätigung. Verbunden ist dies mit der Aufforderung, die Klage – soweit noch nicht geschehen – zu begründen. Gleichzeitig übersendet das Gericht die Klageschrift an die beklagte Verwaltungsbehörde. Sobald eine Begründung vorliegt, übersendet das Gericht die entsprechenden Schriftsätze an die Gegenseite mit der Bitte um Stellungnahme.

Der weitere Verfahrensgang hängt vom Einzelfall ab. Möglich ist, dass das Gericht einen Erörterungstermin anberaumt, um den Sach- und Streitstand mit den Beteiligten zu besprechen. Außerdem kann das Gericht schriftliche Hinweise erteilen oder aber sogleich einen Termin für die mündliche Verhandlung bestimmen.

Die Prozessbeteiligten – ggfs. die Prozessbevollmächtigten (§ 62 Abs. 2 FGO) - können während des laufenden Klageverfahrens die Gerichtsakten und die dem Gericht vorgelegten Verwaltungsvorgänge einsehen, § 78 Abs. 1 FGO. Die Einsichtnahme soll regelmäßig auf der Geschäftsstelle des Finanzgerichts vorgenommen werden, in Einzelfällen können die Akten auch an andere Gerichte / Behörden in der Nähe des Wohnsitzes des Klägers/der Klägerin bzw. des/der Prozessbevollmächtigten versandt werden.

Mit dem Klageantrag bestimmt der/die Kläger/in Inhalt und Umfang der Entscheidung des Gerichts. Welcher konkrete Antrag gestellt werden muss, hängt vom Einzelfall ab. Das Gericht ist allerdings verpflichtet, auf die Stellung sachgerechter Anträge hinzuwirken, d.h. die Beteiligten werden bei der Stellung der (sachdienlichen) Anträge unterstützt.

Zur Festsetzung einer höheren als der bisher festgesetzten Steuer kann es durch ein finanzgerichtliches Verfahren nicht kommen. Eine sog. „Verböserung“ ist also nicht möglich. Möglich ist es aber, dass im Falle eines Erfolgs für das Streitjahr bzw. den Streitzeitraum durch die Finanzbehörde steuerlich nachteilige Folgeänderungen in anderen Jahren gezogen werden. Ebenso ist es möglich, Fehler der Finanzbehörde, die sich in Bezug auf die festgesetzte Steuer zugunsten der Steuerpflichtigen ausgewirkt haben, mit Fehlern der Behörde zulasten der Steuerpflichtigen zu saldieren.

Die mündliche Verhandlung findet in den Räumen des Finanzgerichts statt. Das Gericht lädt die Beteiligten mit einer Frist von mindestens zwei Wochen zu dem Termin. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung stellt der zuständige Richter den von ihm aus den Akten ermittelten Sachverhalt dar. Es werden die jeweiligen Anträge aufgenommen, evtl. Zeugen gehört und andere Beweismittel ausgewertet sowie die verschiedenen Auffassungen zur Lösung des Streitfalls besprochen. Die Beteiligten können sich jederzeit über eine Erledigung der Sache verständigen, das Finanzamt kann die Abhilfe zusagen oder der Kläger seine Klage zurücknehmen.


d. Entscheidung in Finanzgerichtssachen

Kann das Verfahren nicht einvernehmlich in einer mündlichen Verhandlung beendet werden, beraten die Richterinnen und Richter des Senats unter Ausschluss der Öffentlichkeit die zu treffende Entscheidung. Bei der Abstimmung darüber, ob einer Klage ganz oder teilweise stattzugeben oder sie abzuweisen ist, haben alle Senatsmitglieder, d.h. auch die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter, das gleiche Stimmrecht.

In den streitig bleibenden Fällen ergeht regelmäßig ein Urteil. Dabei kann durch den Senat oder durch den/die Einzelrichter/in entschieden werden, und zwar nach mündlicher Verhandlung oder mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.

In Betracht kommt auch ein Gerichtsbescheid (§ 90a FGO) durch den Einzelrichter / die Einzelrichterin oder den Senat. Wenn kein Rechtsmittel eingelegt wird, wirkt der Gerichtsbescheid wie ein Urteil. Die Beteiligten können aber nach Ergehen des Gerichtsbescheides einen Antrag auf mündliche Verhandlung stellen. Das Gericht kann in dem Gerichtsbescheid auch die Revision zulassen. Dann haben die Beteiligten die Wahl, ob sie mündliche Verhandlung beantragen (dann wird das Verfahren beim Finanzgericht fortgesetzt) oder die Revision einlegen (dann wird das Verfahren in zweiter Instanz beim BFH fortgesetzt).


e. Rechtsmittel

Gegen die Entscheidungen des Senats (oder des Einzelrichters) steht den Beteiligten das Rechtsmittel der Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) zu, wenn diese vom Gericht zugelassen wurde. Ob das der Fall ist, entnehmen Sie dem Tenor, also dem Entscheidungssatz im Urteil ("Die Revision wurde zugelassen") und der Rechtsmittelbelehrung.

Wurde die Revision nicht zugelassen (was nicht ausdrücklich Tenor wird), haben die Beteiligten die Möglichkeit beim BFH Beschwerde zu erheben (Nichtzulassungsbeschwerde). Beim BFH besteht - anders als beim Finanzgericht - Vertretungszwang. Die Beteiligten müssen sich also durch eine/n Rechtsanwalt/in, Steuerberater/in oder Wirtschaftsprüfer/in vertreten lassen, wenn eine Beschwerde oder Revision eingelegt werden soll (§ 62 Abs. 4 FGO).


f. Aussetzung der Vollziehung

Die vom Finanzamt festgesetzte Steuer muss trotz Klageerhebung grundsätzlich gezahlt werden.

Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Vollziehung des Steuerbescheides ausgesetzt wird. Zu diesem Zweck kann die Klägerin / der Kläger beim Finanzamt einen entsprechenden Antrag auf Aussetzung der Vollziehung stellen. Ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung beim Finanzgericht ist auch schon vor Erhebung der Klage möglich, wenn sich die Sache noch im Einspruchsverfahren befindet und das Finanzamt den im Einspruchsverfahren gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abgelehnt hat.

Wichtig: Beim Finanzgericht kann die Aussetzung der Vollziehung regelmäßig erst dann beantragt werden, wenn der beim Finanzamt gestellte Antrag keinen Erfolg hatte (§ 69 Abs. 4 FGO). Das Finanzamt muss also einen bei ihm gestellten Antrag ganz oder teilweise abgelehnt haben. Ist die beantragte Aussetzung der Vollziehung für den Zeitraum des Einspruchsverfahrens gewährt worden, muss für ein anschließendes Klageverfahren ein erneuter Antrag beim Finanzamt gestellt werden, bevor das Finanzgericht angerufen werden kann. Der Antrag kann direkt beim Finanzgericht gestellt werden, wenn das Finanzamt die Vollstreckung der Steuern angedroht oder mit der Vollstreckung begonnen hat.

Wenn die Aussetzung der Vollziehung im Wege der vorläufigen Regelung gewährt wird, der Einspruch oder die Klage jedoch endgültig keinen Erfolg haben, muss die / der Steuerpflichtige für den Zeitraum, für den die Vollziehung ausgesetzt war, Aussetzungszinsen zahlen (0,5 v. H. des ausgesetzten Betrags monatlich). Umgekehrt werden zunächst gezahlte Beträge im Falle einer späteren Erstattung in gleicher Höhe zugunsten des Steuerpflichtigen verzinst.


g. Einstweilige Anordnung

Nicht so häufig wie der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist der Antrag auf eine einstweilige Anordnung des Finanzgerichts (§ 114 FGO). Während die Aussetzung der Vollziehung dann statthaft ist, wenn das Finanzamt etwas von dem Steuerpflichtigen fordert, also einen Verwaltungsakt vollziehen möchte, greift die einstweilige Anordnung, wenn der Steuerpflichtige etwas vom Finanzamt möchte, z.B. einen Vollstreckungsaufschub, die Änderung eines Steuerbescheides oder die vorläufige Verhinderung der Weitergabe von Kontrollmitteilungen. Die einstweilige Anordnung kommt nur dann in Betracht, wenn keine Aussetzung der Vollziehung möglich ist.

Die einstweilige Anordnung durch das Finanzgericht erfolgt - wie die Aussetzung der Vollziehung - nur auf Antrag. In diesem Antrag hat der Steuerpflichtige den geltend gemachten Anspruch und den Anordnungsgrund dazulegen. Ein solcher Grund liegt nur vor, wenn der geltend gemachte Anspruch aufgrund konkreter Umstände unmittelbar gefährdet wird. Beides, Anspruch und Grund, müssen vom Steuerpflichtigen schlüssig und konkret vorgetragen werden.



Kosten im finanzgerichtlichen Verfahren

Ausführliche Hinweise zu den Kosten im finanzgerichtlichen Verfahren finden Sie auf unserer homepage unter dem Menüpunkt Kostenhinweise.

  Bildrechte: Christian Wyrwa
Muster einer Klageschrift

  Muster einer Klageschrift
(PDF, 0,17 MB)

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