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Newsletter 9/2022 vom 17. August 2022

Entscheidungen des
Niedersächsischen
Finanzgerichts

Vorlage der Abgeltungsteuer an das Bundesverfassungsgericht aufgehoben

Mit Beschluss vom 18. März 2022 hat der 7. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) darüber eingeholt, ob die in den § 32d Abs. 1 EStG in Verbindung mit § 43 Abs. 5 EStG geregelte Abgeltungsteuer in den in den Jahren 2013, 2015 und 2016 geltenden Fassungen insoweit mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar sind, als dass sie für Einkünfte aus privaten Kapitalerträgen einen Sondersteuersatz in Höhe von 25 % mit abgeltender Wirkung vorsehen.

Der Kläger hatte sich mit seiner Klage beim Niedersächsischen Finanzgericht eigentlich dagegen gewehrt, dass das beklagte Finanzamt Provisionseinnahmen steuerlich ihm und nicht einem Dritten zugerechnet hatte. Außerdem begehrte er den bisher nicht erfolgten Ansatz des Sparer-Pauschbetrages bei seinen Kapitaleinkünften.

Der 7. Senat folgte dem Kläger in beiden Punkten, war aber davon überzeugt, dass der auf die Kapitaleinkünfte anzuwendende (abgeltende) Sondersteuersatz von 25% verfassungswidrig ist und war daher verpflichtet, das Bundesverfassungsgericht anzurufen. Das dortige Normenkontrollverfahren wird unter dem Aktenzeichen 2 BvL 6/22 geführt.

Mit Schreiben vom 2. Juni 2022 hat das beklagte Finanzamt nun mitgeteilt, dass es die angefochtenen Einkommensteuerbescheide geändert und dem Klageantrag des Klägers entsprochen habe. Daraufhin haben das Finanzamt und der Kläger den Rechtsstreit einvernehmlich für erledigt erklärt.

Durch die Erledigung des Klageverfahrens ist die Entscheidungserheblichkeit in dem Normenkontrollverfahren bei dem Bundesverfassungsgericht entfallen, so dass die Vorlage gegenstandslos geworden ist. Der Vorlagebeschluss des 7. Senats vom 18. März 2022 war daher aufzuheben. Das ist durch Beschluss vom 10. August 2022 erfolgt.

Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit der Abgeltungsteuer wird also in diesem Verfahren nicht mehr erfolgen.

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Weitere Entscheidungen
des Niedersächsischen
Finanzgerichts


3 K 87/21 - Urteil vom 29.06.2022

Eine im Ausland rechtsfähige Familienstiftung kann der Ersatzerbschaftsteuerpflicht unterliegen.

Hat eine im Ausland rechtsfähige Familienstiftung ihre Geschäftsleitung im Inland, so unterliegt sie der Erbschaftsteuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG.

Rev. eingelegt, Az. des BFH: II R 30/22

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6 K 67/18 - Urteil vom 15.06.2021

Rechtmäßigkeit einer Steuerberaterprüfung

1. Zum Umfang der gerichtlichen Überprüfbarkeit von Prüfungsentscheidungen.

2. Festgestellte Fehler bei der Bewertung einer Klausur führen nur dann zu einer Aufhebung der Prüfungsentscheidung, wenn sie sich auf die gegebene Note für die Klausur und auf das Gesamtergebnis der Prüfung ausgewirkt haben können.

3. Anforderungen an die Darstellung von Bewertungsfehlern bzgl. einzelner Abschnitte der mündlichen Prüfung.

4. Umgang mit dem Vortrag, Prüfer seien während der mündlichen Prüfung unaufmerksam oder nachlässig gewesen.

Rev. eingelegt, Az. des BFH: VII R 24/22

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14 K 5/17 - Urteil vom 18. Januar 2018

Haftung für die „Künstlerabzugsteuer“ nach § 50a EStG

§ 50a Abs. 4 Satz 1 EStG in der im Streitjahr 1994 geltenden Fassung ist europarechtskonform; Voraussetzung für den Steuerabzug ist, dass der Vergütungsgläubiger mit Gewinnerzielungsabsicht tätig geworden ist; eine Schätzung von Aufwendungen des Vergütungsgläubigers im Haftungsbescheid gemäß § 73g EStDV kommt nicht in Betracht.

rechtskräftig

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Die Volltexte der genannten Entscheidungen sowie weitere Entscheidungen des Niedersächsischen Finanzgerichts ab dem 1. Januar 2000 können Sie auf dem Niedersächsischen Landesjustizportal abrufen.

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Gut zu wissen

Nur Gutes vom Finanzgericht - das Verböserungsverbot im finanzgerichtlichen Klageverfahren

Nach Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes steht Bürgerinnen und Bürgern der Rechtsweg offen, wenn sie durch die öffentliche Gewalt in ihren Recht verletzt werden. Eine solche Rechtsverletzung durch die öffentliche Gewalt liegt z.B. vor, wenn das Finanzamt einen fehlerhaften Steuerbescheid erlässt. Steuerpflichtige können dann (nachdem sie ein erfolgloses Einspruchsverfahren geführt haben) beim Finanzgericht gegen diesen fehlerhaften Steuerbescheid klagen.

In ihrer Klage müssen die Steuerpflichtigen ihr Klagebegehren formulieren, sie müssen dem Gericht also mitteilen, also wodurch sie sich in ihren Rechten verletzt fühlen, inwieweit sie den Steuerbescheid für fehlerhaft halten.

Das Finanzgericht entscheidet dann über die Klage "nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung". Dabei darf es aber nicht über das Klagebegehren hinausgehen. Es darf dem Steuerpflichtigen also nicht mehr zugestehen als er begehrt hat, auf der anderen Seite darf es ihn aber auch nicht schlechter stellen als er ohne die Klage gestanden hätte. Es gilt ein Verböserungsverbot. Wenn das Finanzgericht bei der Bearbeitung der Klage zu dem Ergebnis gelangt, dass die Steuer eigentlich höher hätte festgesetzt werden müssen, als es das Finanzamt getan hat, muss es die Klage abweisen. Es bleibt dann für den Steuerpflichtigen beim status quo.

Das Verbot der Verböserung oder die Bindung an das Klagebegehren hindert das Finanzgericht aber nicht daran, innerhalb des vom Finanzamt festgesetzten Steuerbetrags die steuerpflichtigen Umsätze bzw. Einkünfte in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht für den Steuerpflichtigen ungünstiger zu beurteilen, als dies in dem angefochtenen Steuerbescheid geschehen ist. Das Finanzgericht hat also die Möglichkeit - und sogar die Pflicht - innerhalb des Klagebegehrens zu kompensieren. Begehrt der Steuerpflichtige mit seiner Klage also etwa die Herabsetzung der Einkommensteuer um 1.000 €, weil das Finanzamt Werbungskosten fehlerhaft nicht anerkannt hat und stellt das Finanzgericht im Klageverfahren fest, dass das Finanzamt außerdem vergessen hat, Einnahmen des Steuerpflichtigen von 1.000 € anzusetzen, dann muss das Finanzgericht die Minderung der Steuer durch die gleichzeitige Erhöhung kompensieren und die Klage als unbegründet abweisen.

Auch in dem o.g. Verfahren des 7. Senats, das zur nun aufgehobenen Vorlage an das Bundesverfassungsgericht geführt hat, lag ein Fall der Kompensation vor. Der Kläger begehrte die Minderung seiner Einkommensteuer, weil das Finanzamt ihm unzutreffend Einnahmen steuerlich zugerechnet hat. Das Finanzgericht dem Kläger in diesem Punkt gefolgt. Bei der Überprüfung der Klage ist der Senat allerdings zu der Auffassung gelangt, dass die Einbeziehung der Kapitaleinkünfte des Klägers in die Einkommensteuer mit dem Abgeltungsteuersatz von lediglich 25% ebenfalls unzutreffend gewesen ist, weil sie die zugrunde liegende Gesetzesregelung für verfassungswidrig hielten. Im Falle einer Verfassungswidrigkeit müssten die Kapitaleinkünfte ggf. höher besteuert werden und die zugunsten des Klägers erfolgte Minderung der Einkommensteuer entsprechend kompensiert werden. Nachdem das Finanzamt seinen Fehler aber nunmehr selbst richtig gestellt und der Klage durch geänderte Steuerbescheide abgeholfen hat, ist der Raum für die Kompensation durch den Senat im Klageverfahren weggefallen.

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Neues aus dem
Niedersächsischen
Finanzgericht

Traumjob zu vergeben: Eine Stelle für einen Richter (m/w/d) auf Probe bzw. kraft Auftrags beim Niedersächsischen Finanzgericht

Bei dem Niedersächsischen Finanzgericht ist eine Stelle für
einen Richter (m/w/d) auf Probe bzw. kraft Auftrags zu besetzen.

Voraussetzung ist die Befähigung zum Richteramt. Erwartet werden zwei Prädikatsexamina, vertiefte steuerrechtliche Kenntnisse sowie eine mindestens dreijährige Berufserfahrung nach dem 2. Staatsexamen.

Schwerbehinderte Bewerberinnen und Bewerber werden bei gleicher Eignung bevorzugt berücksichtigt. Das Niedersächsische Finanzgericht strebt in allen Bereichen und Positionen an, eine Unterrepräsentanz im Sinne des Niedersächsischen Gleichberechtigungsgesetzes (NGG) abzubauen. Daher sind Bewerbungen von Frauen besonders erwünscht und können entsprechend der Vorschriften des NGG bevorzugt berücksichtigt werden.

Bewerbungen sind an das Niedersächsische Finanzgericht, - Die Präsidentin -, Leonhardtstraße 15, 30175 Hannover, zu richten.

Der Bewerbung sind die in dem Merkblatt des Niedersächsischen Justizministeriums für die Einstellung als Richterin oder Richter auf Probe in der Arbeits-, Finanz-, Sozial- und Verwaltungsgerichtsbarkeit des Landes Niedersachsen genannten Unterlagen beizufügen.

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Artikel-Informationen

erstellt am:
17.08.2022

Ansprechpartner/in:
Frau Andrea-Alexandra Bartels

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