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Frau Andrea-Alexandra Bartels
Rechtsprechung
des Niedersächsischen
Finanzgerichts
Besteuerung von Aufsichtsräten u.ä.: Vorsitzender des Verwaltungsrats eines berufsständischen Versorgungswerks unterliegt mit dieser Tätigkeit nicht der Umsatzsteuer
Mit Urteil vom 19. November 2019 (5 K 282/18) hat der 5. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts – soweit ersichtlich – als erstes Finanzgericht unter Berücksichtigung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 13. Juni 2019 C-420/18 (DStR 2019, 1396) zur Steuerbarkeit der Einnahmen eines Verwaltungsratsvorsitzenden Stellung genommen. Danach unterliegt die Tätigkeit nicht der Umsatzsteuer, wenn der Verwaltungsratsvorsitzende weder im eigenen Namen nach außen auftritt noch gegenüber dem Versorgungswerk über die Befugnis verfügt, die für dessen Führung erforderlichen Entscheidungen zu treffen.
Diese Entscheidung folgt der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, steht aber im Widerspruch zu er bisher von der Finanzverwaltung vertretenen Auffassung.
Der Kläger, ein selbständiger Freiberufler, war Vorsitzender des Verwaltungsrates eines berufsständischen Versorgungswerks, das einer Berufskammer angehörte. Das Versorgungswerk wurde durch einen gewählten, nach der Satzung des Versorgungswerks ehrenamtlichen Verwaltungsrat geführt. Der Verwaltungsrat wurde durch einen Vorsitzenden, den Kläger, geleitet. Die Entscheidungen des Verwaltungsrats wurden durch Abstimmung getroffen.
Nach einer Entschädigungssatzung des Verwaltungswerks erhielt der Vorsitzende eine regelmäßige monatliche Aufwandsentschädigung sowie Fahrtkostenersatz und Sitzungsgelder.
Das Finanzamt hielt die Tätigkeit des Klägers als Verwaltungsrat für umsatzsteuerbar und – wegen der Höhe seiner Bezüge auch im Lichte des § 4 Nr. 26 Umsatzsteuergesetz – steuerpflichtig.
Der 5. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat demgegenüber unter Berücksichtigung des o.g., erst kurz vor der mündlichen Verhandlung über die Klage veröffentlichten EuGH-Urteils entschieden, dass der Kläger mit seinen Einnahmen aus der Tätigkeit für das Versorgungswerk nicht der Umsatzsteuer unterliegt. Die Tätigkeit sei zwar wirtschaftlicher Natur, sie sei aber nicht im Sinne von Art. 9 Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL) als selbständig anzusehen, da der Kläger erstens nicht im eigenen Namen nach außen auftrete, sondern nur das Versorgungswerk vertrete, und zweitens dem Versorgungswerk gegenüber nach dessen Satzung keine individuelle Verantwortung und kein Haftungsrisiko trage.
Der Kläger sei auch nicht deshalb unternehmerisch tätig, weil er Fahrtkostenersatz und Sitzungsgelder bezogen habe. Die Anberaumung von Sitzungen habe nicht ihm oblegen, die Beträge seien nicht hoch gewesen.
Der Bundesfinanzhof hat in diesem Zusammenhang mit Urteil vom 27. November 2019 V R 23/19 (Umsatzsteuer-Rundschau 2020, 190) entschieden, dass der dortige Kläger mit seiner Tätigkeit als Mitglied eines Aufsichtsrates nicht der Umsatzsteuer unterlag, weil er lediglich eine feste Vergütung bezog. Der BFH hat in jenem Urteil ausdrücklich offen gelassen, wie über Fälle zu entscheiden ist, in denen über eine Festvergütung hinaus weitere Einnahmen erzielt werden. Insofern leistet das Urteil des 5. Senats des Niedersächsischen Finanzgericht einen aktuellen Beitrag zur Abgrenzung der nicht der Umsatzsteuer unterliegenden Aufsichts- und Verwaltungsratstätigkeiten von den weiterhin unternehmerischen und daher steuerpflichtigen Tätigkeiten.
Das Niedersächsische Finanzgericht hatte in der Sache die Revision zugelassen. Diese wurde unter dem Az V R 6/20 beim BFH geführt, zwischenzeitlich allerdings wieder zurückgenommen, so dass die Entscheidung des Finanzgerichts jetzt rechtskräftig ist.
Keine Anerkennung von Vermietungsverlusten bei von vorn herein geplanter unentgeltlicher Übertragung des Mietobjektes an Angehörige
Mit Urteil vom 25. Februar 2020 (9 K 112/18) hat der 9. Senat des Niedersächsischen Finanzgericht entschieden, dass Verluste aus der Vermietung einer Immobilie mangels Vorliegen einer Einkünfteerzielungsabsicht auch rückwirkend dann nicht mehr anerkannt werden können, wenn dem Finanzamt nachträglich Umstände bekannt werden, aus denen sich die bereits bei Abschluss des Mietvertrags bestehende Absicht einer späteren unentgeltlichen Übertragung des Vermietungsobjektes an die Mieter ergibt.
Im zugrunde liegenden Streitfall hatte der Kläger ein Einfamilienhaus, dass er kurze Zeit zuvor von seiner Mutter im Wege der vorgenommenen Erbfolge übertragen bekommen hatte, an seinen Sohn und seine Schwiegertochter vermietet. Nach dem auf unbestimmte Zeit geschlossenen Mietvertrag sollte die Mietzeit am Tag des Besitzübergangs auf den Kläger (1. Mai 2013) beginnen. In der Folgezeit nahm der Kläger zunächst jedoch umfangreiche Umbau- und Erweiterungsarbeiten nach den Wünschen der Mieter vor. Die Mieter beteiligten sich hieran mit einem Kostenbeitrag von 65.000 €. Der Umzug in das Einfamilienhaus erfolgte anschließend in Etappen bis zum 5. November 2014 (Ummeldung im Melderegister). Mit notariellem Vertrag vom 9. Juli 2015 übertrug der Kläger dann das Mietobjekt – mit Wirkung zum 1. Januar 2016 - im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf seinen Sohn. Das Finanzamt, das die erheblichen Werbungskostenüberschüsse in den Jahren 2013 bis 2015 (insgesamt über 450.000 €) zunächst anerkannt hatte, erfuhr von dieser unentgeltlichen Übertragung erst im Rahmen der Veranlagungsarbeiten der Steuererklärung 2016. Aufgrund dessen ging das Finanzamt von einer von vorn herein nur begrenzten Mietzeit und einer fehlenden Überschusserzielungsabsicht aus und änderte in der Folge die bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide 2013 bis 2015 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO). Von den hiergegen gerichteten Einsprüchen wies das Finanzamt zunächst nur den Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2015 als unbegründet zurück. Hiergegen richtete sich die vorliegende Klage. Die Kläger wandten ein, die Übertragung habe auf einem später gefassten Entschluss aufgrund neuer Umstände (Geburt des Enkelsohnes verbunden mit finanziellen Engpässen bei den Mietern) beruht.
Der 9. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts wies die Klage ab. Auch wenn beim Abschluss des Mietvertrags noch keine Anzeichen für eine von vorn herein bestehende zeitliche Begrenzung der Vermietungsabsicht erkennbar gewesen seien, sei die für die Überschusserzielungsabsicht sprechende Regelvermutung der BFH-Rechtsprechung im Falle einer Dauervermietung dann nicht anzuwenden, wenn der Steuerpflichtige das Objekt in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Anschaffung/Herstellung (i.d.R. bis zu 5 Jahren) veräußere, selbstnutze oder unentgeltlich übertrage. Dieses im Streitfall gegen die Dauervermietungsabsicht sprechende Indiz hätten die Kläger nicht widerlegt. Angesichts dessen konnte der Senat offen lassen, ob der Mietvertrag auch deshalb steuerlich unter dem Aspekt eines Scheinmietverhältnisses nicht anzuerkennen war, weil die Klägerin – mit der Kenntnis des Klägers – ihren Sohn mit einen monatlichen Betrag in Höhe der zu zahlenden Miete „unterstützt“ hatte.
Nach Auffassung des Finanzgerichts konnte der bestandskräftige Einkommensteuerbescheid 2015 entsprechend wegen neuer (Hilfs-)Tatsachen auch noch nachträglich gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geändert werden.
Einnahmen aus einer sozialpädagogischen nachmittäglichen Betreuung nicht gemäß § 3 Nr. 11 EStG steuerfrei
Nach § 3 Nr. 11 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind u.a. Bezüge aus öffentlichen Mitteln steuerfrei, die als Beihilfe zu dem Zweck bewilligt werden, die Erziehung unmittelbar zu fördern. Der 9. Senat des Niedersächsischen Finanzgericht hatte sich – soweit ersichtlich als erstes Finanzgericht – mit der Frage zu befassen, ob auch Zahlungen eines Landkreises an eine Sozialpädagogin für die sozialpädagogische nachmittägliche Betreuung unter diese Befreiungsvorschrift fallen. Mit Urteil vom 14. April 2020 (9 K 21/19) hat das Finanzgericht entschieden, dass die Geldleistungen des Landkreises nicht als uneigennützig gewährte Unterstützungszahlungen im Sinne des § 3 Nr. 11 EStG anzusehen sind.
Im zugrunde liegenden Streitfall hatte die Klägerin, eine Sozialpädagogin, im Rahmen einer Nebentätigkeit für den Landkreis Aufgaben im Rahmen einer sozialpädagogischen nachmittäglichen Betreuung in einer Familie übernommen. Zum Aufgabenbereich gehörten u.a. die Beratung und Unterstützung der Eltern in Erziehungsfragen, die unterstützende Begleitung bei Kontakten zu Behörden, Schulen u. Ä., das Heranführen an Möglichkeiten aktiver Freizeitgestaltung und die Unterstützung von Kindern und Jugendlichen bei der Erledigung der Hausaufgaben. Die Honorartätigkeit umfasste im Monat 35 Zeitstunden. Das Honorar betrug 16 € pro Stunde. Ferner gewährte der Landkreis eine monatliche Sachkostenpauschale. Das Finanzamt erfasste die Einnahmen als Einkünfte aus selbständiger Arbeit und berücksichtigte einen Freibetrag von 2.400 € gemäß § 3 Nr. 26 EStG. Vergeblich begehrte die Klägerin dagegen eine vollständige Freistellung der Honorare.
Das Finanzgericht wies die Klage ab. Zwar handelte es sich nach seiner Auffassung um öffentliche Mittel im Sinne des § 3 Nr. 11 EStG. Es bestanden für das Finanzgericht jedoch bereits erhebliche Zweifel, ob die an die Klägerin gezahlten Gelder ausschließlich und unmittelbar dazu bestimmt sind, die Erziehung zu fördern, denn die Klägerin hatte die Familie als Ganzes in verschiedenen Lebensbereichen zu betreuen (Einordnung als flexible Hilfe zur Erziehung nach § 27 Abs. 2 SGB VII). Diese Frage konnte das Finanzgericht jedoch offen lassen, weil von der Befreiungsvorschrift nur uneigennützig gewährte Unterstützungsleistungen erfasst werden und diese Voraussetzung im Streitfall nicht erfüllt war. Die Leistungen sollten vielmehr den zeitlichen und sachlichen Aufwand der Betreuungsperson vollständig durch Stundensätze und monatliche Sachkostenpauschalen abgelten. Im Ergebnis wertete das Finanzgericht die streitbefangenen Zahlungen des Landkreises daher als Entgelt für die vertraglich vereinbarte Betreuungsleistung.
In ähnlicher Weise hatten bereits zuvor das FG Baden-Württemberg (Urteil vom 26. März 2019, 11 K 3207/17, EFG 2019, 1969, Rev. eingelegt, Az. des BFH: VIII R 13/19) Zahlungen eines Jugendwerkes an eine staatlich anerkannte Jugend- und Heimerzieherin und das FG Münster (Urteil vom 10. Oktober 2019. 6 K 3334/17 E, EFG 2020, 248, Rev. zugelassen) Geldleistungen zur Anerkennung der Förderleistung einer Tagespflegeperson beurteilt.
Das Niedersächsische Finanzgericht hat in der Sache die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.
Weitere Entscheidungen des
Niedersächsischen Finanzgerichts
Urteil vom 8. Mai 2019 - 4 K 240/18
Beginn einer Außenprüfung
Eine Außenprüfung kann mit einer an den Steuerpflichtigen ergangenen Aufforderung zur Vorlage von Aufzeichnungen, Büchern, Geschäftspapieren u. Ä. begonnen werden und dadurch den Ablauf der Festsetzungsfrist hemmen.
Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, BFH–Az.: X B 99/19
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Gerichtsbescheid vom 18. März 2020 - 6 K 20/18
Zur Abzugsfähigkeit ausländischer Quellensteuern
Ausländische Quellensteuern auf nach § 8b KStG steuerfreie Dividenden können nicht bei der Ermittlung des Gewerbeertrages einer Organgesellschaft abgezogen werden.
Revision eingelegt, BFH-Az.: I R 16/20
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Urteil vom 27. Juni 2019 - 11 K 291/18
Sonderausgabenabzug bei Versorgungsverträgen
Bei fehlender zeitnaher Umsetzung einer in einem Versorgungsvertrag vereinbarten Erhöhung der Barleistungen scheidet ein Sonderausgabenabzug aus.
Revision eingelegt, BFH-Az.: X R 3/20
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Die Volltexte der genannten Entscheidungen erhalten Sie auf der Seite der Rechtsprechung der Niedersächsischen Justiz. Dort können Sie unter "Suche" das jeweilige Aktenzeichen eingeben. Weitere Entscheidungen des Niedersächsischen Finanzgerichts ab Entscheidungsdatum 1. Januar 2000 können Sie dort ebenfalls finden.
Neuigkeiten aus dem
Niedersächsischen Finanzgericht
Am vergangenen Freitag, dem 15. Mai 2020, wurde Herr Lutz Fette von der Vizepräsidentin des Niedersächsischen Finanzgerichts Petra Hager zum Vorsitzenden Richter am Finanzgericht ernannt.
Lutz Fette begann seine steuerliche Berufskarriere von 1990 bis 1993 mit einer dualen Ausbildung im gehobenen Dienst der niedersächsischen Finanzverwaltung beim Finanzamt Hannover-Mitte und gleichzeitigem Studium an der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege (heute: Steuerakademie Niedersachsen) in Rinteln.
Im Anschluss daran studierte er Rechtswissenschaften an der Leibniz Universität Hannover und legte im Jahr 1997 sein Erstes und nach seinem Referendariat im Jahr 1999 sein Zweites Juristisches Staatsexamen ab.
Im Oktober 1999 trat Herr Fette in den höheren Dienst der Niedersächsischen Finanzverwaltung ein und war zunächst im Finanzamt Hildesheim, ab Oktober 2000 dann beim Finanzamt für Fahndung und Strafsachen in Hannover tätig.
Im Juli 2007 wechselte Lutz Fette als Richter an das Niedersächsische Finanzgericht, wo er zunächst dem u.a. für Vollstreckung zuständigen 15. Senat und ab April 2010 dem insb. für Körperschaftsteuer und Steuerberatersachen zuständigen 6. Senat zugewiesen war. Seit Januar 2010 ist Herr Fette Beisitzer in dem für Einkommensteuer und Körperschaftsteuer zuständigen 10. Senat.
Seine Funktion als Vorsitzender wird er zukünftig in dem u.a. für Haftungssachen zuständigen 14. Senat ausüben.
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