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Newsletter 1/2020 vom 15. Januar 2020

Homepage des Niedersächsischen Finanzgerichts
Blauer Streifen oberhalb des Bildes der Abteilungen Bildrechte: Diedrich, Martin
Rechtsprechung des Niedersächsischen Finanzgerichts

Neues Reisekostenrecht: Doppelte Haushaltsführung von Ledigen bei Innehaben einer Wohnung und ausreichender finanzieller Beteiligung an den Kosten der Lebensführung eines Mehrgenerationenhaushaltes

Mit Urteil vom 18. September 2019 (9 K 209/18) hat der 9. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts – soweit ersichtlich – als erstes Finanzgericht zu dem mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2014 im Rahmen der Neuordnung des Reisekostenrechts neu eingefügten Satz 3 des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes Stellung genommen. Danach erfordert das Vorliegen eines eigenen Hausstandes außerhalb des Ortes der ersten Tätigkeitsstätte nunmehr neben dem bisherigen Merkmal „Innehaben einer Wohnung“ zusätzlich eine „finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung“ (des Haupthausstandes).

Diese Gesetzesverschärfung steht im Zusammenhang mit einer zuvor ergangenen bürgerfreundlichen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) – und richtet sich ausweislich der Gesetzesbegründung gegen die steuerliche Anerkennung einer doppelten Hausführung in Fällen, in denen ledige Arbeitnehmer außerhalb des Ortes ihrer ersten Tätigkeitsstätte – ggf. zusammen mit Geschwistern – eine unentgeltlich überlassene Wohnung oder ein Zimmer im Haus der Eltern bewohnen (sog. Mehrgenerationenhaushalte).

Eine solche Konstellation lag im Streitfall zugrunde. Der Kläger, ein lediger Arbeitnehmer, bewohnte im Streitjahr in seinem Elternhaus zusammen mit seinem Bruder eine nicht abgeschlossene Obergeschosswohnung. Die Eltern, mit denen er keinen Mietvertrag geschlossen hatte, lebten im Erdgeschoss. Daneben unterhielt er am Arbeitsort eine gemietete Zweitwohnung. Der Kläger beteiligte sich zwar nicht an den laufenden Haus- und Nebenkosten, überwies jedoch im Dezember des Streitjahres einen Betrag von 1.200 € (mtl. Kostenbeteiligung für Januar bis Dezember von je 100 €) sowie einen Betrag von 550 € (Beteiligung an der Fenstererneuerung). Zudem konnte er nachweisen, dass er Ausgaben für Lebensmitteleinkäufe am Ort des Haupthausstandes in Höhe von 1.410 € getätigt hatte.

Das Finanzamt lehnte den Abzug der Aufwendungen für eine doppelte Haushaltführung ab, weil eine erforderliche Beteiligung an der laufenden Haus- und Wohnungskosten nicht rückwirkend herbeigeführt werden könne. Die Beteiligung an der Fenstererneuerung sei im Übrigen nicht verpflichtend gewesen.

Der 9. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts ist dem entgegengetreten und hat der Klage stattgegeben. Dabei hat sich der Senat mit allen in der steuerrechtlichen Literatur vertretenen Meinungen zu den neuen gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen der „finanziellen Beteiligung an den Kosten der Lebensführung“ ausführlich auseinandergesetzt. Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung kann mithin eine Beteiligung an den laufenden Kosten der Haushaltsführung weder dem Gesetzeswortlaut noch der Gesetzesbegründung entnommen werden. Danach sind – wie im Streitfall – auch einmalige oder außergewöhnliche Kostenbeiträge anzurechnen. Auf den Zahlungszeitpunkt – Anfang, Mitte oder Ende des Jahres – kommt es nach Auffassung des Finanzgerichts ebenfalls nicht an. Die vom Kläger erbrachten Dienstleistungen erfüllen danach das Merkmal der „finanziellen“ Beteiligung nicht. Im Ergebnis konnte der 9. Senat feststellen, dass sich der Kläger aber oberhalb einer Geringfügigkeitsgrenze von 10 v.H., und damit erkennbar nicht unzureichend, an den haushaltsbezogenen Lebensführungskosten beteiligt hatte. Das beklagte Finanzamt hat mittlerweile die zugelassene Revision eingelegt. Diese ist unter dem Az. VI R 39/19 beim BFH anhängig.

Die entschiedenen Rechtsfragen dürften aufgrund einer Vielzahl vergleichbarer Fallkonstellationen erhebliche praktische Relevanz haben. Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes aus 2018 sind immerhin mehr als 25 v.H. aller Haushalte in Deutschland sog. Mehrpersonenhaushalte mit zwei Generationen.

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Weitere Entscheidung des Niedersächsischen Finanzgerichts

3 K 52/17 – Gerichtsbescheid vom 9. September 2019
Auflösung negativer Ergänzungsbilanzen, wenn ein Gesellschafter gegen Abfindung und unter Auflösung der für ihn spiegelbildlich gebildeten positiven Ergänzungsbilanz aus der Personengesellschaft ausscheidet.

Negative Ergänzungsbilanzen, die anlässlich des Eintritts eines neuen Gesellschafters in eine bestehende Personengesellschaft zur Vermeidung des Überspringens stiller Reserven und zum Zwecke der Buchwertfortführung für die Altgesellschafter gebildet worden waren, sind wieder aufzulösen, wenn der neu eingetretene Gesellschafter gegen Abfindung und unter Auflösung der für ihn spiegelbildlich gebildeten positiven Ergänzungsbilanz wieder aus der Gesellschaft ausscheidet.

Revision eingelegt – BFH-Az.: IV R 27/19
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Die Volltexte der genannten Entscheidungen erhalten Sie auf der Seite der Rechtsprechung der Niedersächsischen Justiz. Dort können Sie unter "Suche" das jeweilige Aktenzeichen eingeben. Weitere Entscheidungen des Niedersächsischen Finanzgerichts ab Entscheidungsdatum 1. Januar 2000 können Sie dort ebenfalls finden.

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Neuigkeiten aus dem Niedersächsischen Finanzgericht

Fünf neue Richterinnen und Richter im Niedersächsischen Finanzgericht

In den letzten sechs Monaten wurden fünf neue Richterinnen und Richter am Niedersächsischen Finanzgericht eingestellt:

Birgit Haarmann absolvierte zunächst das duale Studium zur Diplom-Finanzwirtin und arbeitete anschließend in der Rechtsbehelfsstelle des Finanzamtes Hannover-Nord als Steuerinspektorin. Während ihres Jura-Studiums mit dem Wahlfach Steuerrecht hatte sie Lehraufträge an der Fachhochschule Hildesheim/Holzminden/Göttingen im Fach “Betriebliche Steuerlehre” inne. Nach ihrem Referendariat war sie als Zivilrichterin am Landgericht Bückeburg und am Landgericht Hannover tätig. In dieser Zeit wurde sie zudem zur Güterichterin fortgebildet. Seit dem 1. Oktober 2019 ist sie an das Niedersächsische Finanzgericht abgeordnet, wo sie dem 13. Senat angehört.

Melanie Nadler-Jagers studierte an der Universität Trier Rechtswissenschaften mit dem Schwerpunktbereich Deutsches und Internationales Steuerrecht. Ihr Referendariat absolvierte sie im Bezirk des Oberlandesgerichts Koblenz und wählte auch im zweiten Staatsexamen das Wahlfach Steuerrecht. Anschließend war sie als Rechtsanwältin für zwei international tätige Großkanzleien in Frankfurt am Main zunächst als Associate und später als Assoziierte Partnerin im Bereich Steuerrecht tätig. In dieser Zeit absolvierte sie erfolgreich das Steuerberaterexamen. Seit August 2019 ist Frau Nadler-Jagers als Richterin im 9. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts tätig.

Stefan Przybilka studierte Jura mit Schwerpunkt im Steuer- und Europarecht an der Humboldt-Universität zu Berlin und führte sein Referendariat mit Stationen bei einem Finanzamt, in einer Steuerkanzlei, in der Abteilung Wirtschaftskriminalität der Staatsanwaltschaft Berlin und bei dem Finanzgericht Berlin-Brandenburg durch. Anschließend war er sechs Jahre als Rechtsanwalt in einer großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Berlin tätig, legte in dieser Zeit das Steuerberaterexamen ab und hatte verschiedene Funktionen in der Steuerabteilung inne. Herr Przybilka ist seit dem 1. Januar 2020 Richter dem u.a. für Vollstreckungsrecht zuständigen 15. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts zugewiesen.

Sebastian Siesenop absolvierte zunächst ein Studium zum Dipl.-Finanzwirt (FH) in der Finanzverwaltung des Landes Niedersachsen. Neben der sich hieran anschließenden Tätigkeit in der Finanzverwaltung studierte er Rechtswissenschaften an der Leibniz Universität Hannover. Nach Abschluss des Studiums und des Referendariats war Herr Siesenop in einer überregional tätigen Rechtsanwaltskanzlei tätig, bevor er im Dezember 2019 an das Niedersächsische Finanzgericht wechselte, wo er dem u.a. für Bewertungsrecht zuständigen 1. Senat zugewiesen wurde.

Christian Stern studierte Rechtswissenschaften an der Georg-August-Universität Göttingen. Nach dem Referendariat beim Oberlandesgericht Celle komplettierte er seine steuerjuristische Ausbildung durch ein Masterstudium an der Universität Osnabrück (LL.M. Taxation). Seine berufliche Laufbahn begann er als Rechtsanwalt in der Steuerabteilung einer „Big Four“ Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Hannover und war dort nach bestandener Steuerberaterprüfung auch als Steuerberater sowie als Fachanwalt für Steuerrecht tätig. Im Anschluss wechselte er in eine überregional tätige Wirtschaftsprüfungs-/Steuerberatungsgesellschaft und war zudem Geschäftsführer einer von ihm mitgegründeten Rechtsanwaltsgesellschaft. Herr Stern gehört seit Dezember 2019 dem u.a. für Haftungsrecht zuständigen 14. Senat an.

Präsident Hartmut Pust hieß die neuen Kolleginnen und Kollegen in ihrer neuen Wirkungsstätte willkommen: "Wir freuen uns darüber, mit Ihnen hochqualfizierte Steuerrechtler für das Niedersächsische Finanzgericht gewonnen zu haben!".

Bei dem Niedersächsischen Finanzgericht sind derzeit 54 Richterinnen und Richter tätig. Davon wurden 15 in den letzten 5 Jahren eingestellt.

Foto der neuen Richterkollegen beim Niedersächsischen Finanzgericht   Bildrechte: Alexandra Bartels
von links hinten nach rechts vorne: Präsident Hartmut Pust, RiFG Dr. Christian Gercke, Ri Christian Stern, Ri Sebastian Siesenop, Ri. Stefan Przybilka, Ri'inFG Dr. Claudia Müller, Ri'in Birgit Haarmann, Ri'in Melanie Nadler-Jagers

Zwei Ernennungen zu Lebenszeitrichtern

Zum 1. Januar 2020 wurden Frau Dr. Claudia Müller und Herr Dr. Christian Gercke von dem Präsidenten des Niedersächsischen Finanzgerichts Hartmut Pust zu Lebenszeitrichtern ernannt.

Dr. Claudia Müller war zunächst nach dualem BWL-Studium (mit Schwerpunkt Steuerrecht), Jurastudium und Referendariat als wissenschaftliche Mitarbeiterin in Hamburg tätig. Sie promovierte im Bereich des Steuerrechts und absolvierte den berufsbegleitenden Studiengang Master of International Taxation. Anschließend trat sie in den höheren Dienst der Hamburger Finanzverwaltung ein, wechselte später in die niedersächsische Finanzverwaltung. Seit Januar 2018 ist sie als Richterin kraft Auftrags am Niedersächsischen Finanzgericht im 13. Senat tätig.

Dr. Christian Gercke war nach Studium und Referendariat, u.a. mit einer Station beim Finanzgericht Bremen, zunächst mehrere Jahre als Rechtsanwalt in einer im Bereich des Steuer- und Steuerstrafrecht spezialisierten Kanzlei in Bremen tätig. Anschließend erfolgte sein Wechsel in die ordentliche Justiz, zunächst als Staatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Verden und später als Richter in einer Strafkammer des Landgerichts Verden sowie bei den Amtsgerichten Achim und Rotenburg. Seit dem 1. Januar 2018 ist Herr Dr. Gercke Richter beim Niedersächsischen Finanzgericht und dort Mitglied des 11. Senates, der hauptsächlich für Rechtsstreitigkeiten aus dem Bereich der Umsatzsteuer zuständig ist.

  Bildrechte: Alexandra Bartels
Der Präsident des Niedersächsischen FG Hartmut Pust (rechts) mit den neuen Lebenszeitrichtern Dr. Christian Gehrke und Dr. Claudia Müller
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Informationsveranstaltung mit dem Steuerberaterverband Niedersachsen Sachsen-Anhalt

Am 5. Dezember 2019 fand in Zusammenarbeit mit dem Steuerberaterverband Niedersachsen Sachsen Anhalt erneut eine Informationsveranstaltung zum finanzgerichtlichen Verfahren statt. Das Finanzgericht bietet die ganztägige Veranstaltung bereits seit mehreren Jahren den Steuerberaterinnen und Steuerberatern sowie Mitarbeitern der Finanzverwaltung an. Die Teilnehmer haben zunächst die Möglichkeit, eine mündliche Verhandlung eines Senats des Finanzgerichts zu verfolgen und nach Verkündung mit den Richtern über die getroffenen Entscheidungen und den verfahrensrechtlichen Ablauf zu sprechen. Im zweiten Teil der Informationsveranstaltung erläutern die Mitglieder des Presseteams des Niedersächsischen Finanzgerichts, Alexandra Bartels, Dr. Jörg Grune und Dr. Thomas Keß den Teilnehmern den Ablauf des finanzgerichtlichen Verfahrens und geben Hinweise zur Fehlervermeidung.

Die Informationsveranstaltungen erfreuen sich wegen ihrer Praxisnähe großer Beliebtheit bei den Steuerberaterinnen und Steuerberatern und sind regelmäßig nach kürzester Zeit ausgebucht. Die nächste Veranstaltung im Niedersächsischen Finanzgericht findet voraussichtlich im Frühjahr 2020 in Zusammenarbeit mit der Steuerberaterkammer Niedersachsen statt.

  Bildrechte: Nds. Finanzgericht

Artikel-Informationen

Ansprechpartner/in:
Herrn Dr. Thomas Keß

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