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Newsletter 2/2021 vom 17. Februar 2021

Rechtsprechung des
Niedersächsischen
Finanzgerichts


Az. 1 K 158/19 – Urteil vom 19.10.2020
Ortsübliche Vermietungszeit für eine Ferienwohnung

1. Die in Zweitwohnungssteuersatzungen festgesetzten Eigenverfügbarkeitstage von Ferienwohnungen bieten ohne Kenntnis ihrer Empirie keine hinreichende Grundlage, um die ortsüblichen Vermietungszeiten in der betreffenden Gemeinde feststellen zu können.

2. Die Statistiken nach dem Beherbergungsstatistikgesetz (BeherbStatG) in der Fassung des Gesetzes vom 28. Juli 2015 geben die Möglichkeit, aus der Bettenauslastung einen hinreichenden Rückschluss auf die Anzahl der ortsüblichen Vermietungstage zu ziehen, wenn sie sich auf die im Einzelfall maßgebliche Ferienwohnungskategorie und den maßgeblichen örtlichen Erhebungsbereich beziehen (Anschluss an BFH-Urteil vom 26. Mai 2020 IX R 33/19, BFHE 269, 100, BStBl II 2020, 548).

3. Es ist nicht zu beanstanden, wenn der sich aus der Beherbergungsstatistik ergebende Prozentsatz der Bettenauslastung mit den Gesamttagen eines Kalenderjahres multipliziert und das Produkt hieraus als durchschnittliche Vermietungstage am Ferienort betrachtet wird (Anschluss an BFH-Urteil vom 26. Mai 2020 IX R 33/19, BFHE 269, 100, BStBl II 2020, 548). Die mit der Umrechnung von Bettenauslastung in Vermietungstage verbundenen - im Einzelfall auch erheblichen – Ungenauigkeiten sind in Kauf zu nehmen. Der Steuerpflichtige ist nicht gehalten, den Auslastungsvergleich anhand der Bettenauslastung seines Ferienobjekts zu führen.

4. Es ist nicht erforderlich, dass die Ferienwohnung in dem Gebiet liegt, aus dessen statistischen Werten die ortsüblichen Vermietungszeiten abgeleitet werden. Es können auch die Werte anderer, aber vergleichbarer Gebiete herangezogen werden, sofern diese Gebiete mit dem Belegenheitsort der Ferienwohnung zu einem strukturell einheitlichen Ferienwohnungsmarkt gehören.

5. Dass gemäß § 3 Abs. 1 BeherbStatG nur Beherbergungsbetriebe erfasst werden, die nach Einrichtung und Zweckbestimmung dazu dienen, mindestens zehn Gäste gleichzeitig vorübergehend zu beherbergen, steht der Repräsentativität der Beherbergungsstatistiken zumindest dann nicht entgegen, wenn das zuständige Landesstatistikamt auch Daten von Vermietungsagenturen als auskunftspflichtige Inhaber oder Leiter eines Beherbergungs-betriebs im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 2 BeherbStatG erhoben hat.

rechtskräftig
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Az. 1 K 292/19 – Urteil vom 19.10.2020
Arbeitszimmer eines Unfallchirurgen

Aufwendungen eines Unfallchirurgen für ein häusliches Arbeitszimmer können auch dann keine Berücksichtigung als Werbungskosten finden, wenn der Arbeitgeber das Arbeitszimmer mit einer sog. Teleradiologie ausstattet, die der Unfallchirurg im Rahmen von Rufbereitschaftsdiensten verwenden kann.

rechtskräftig
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Az. 6 K 334/17 – Urteil vom 24.11.2020
Keine Teilwertabschreibung sondern Übertragung eines Firmenwerts bei tatsächlicher Fortführung eines eingestellten Geschäftsbetriebs durch eine Kapitalgesellschaft

1. Eine Teilwertabschreibung des Firmenwerts nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG kommt nicht in Betracht, wenn der Geschäftsbetrieb faktisch auf ein anderes Unternehmen übertragen und von diesem fortgeführt wird. Hiervon ist auszugehen, wenn die Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens auf das andere Unternehmen übergehen, die bisherigen Beziehungen zu Lieferanten und Kunden fortgeführt werden, der Firma lediglich ein Buchstabe hinzugefügt wird und die Kontaktdaten in Gänze gleich bleiben.

2. Der unentgeltliche Übergang des Firmenwerts von der übertragenen Kapitalgesellschaft, deren Alleingesellschafterin die Ehefrau des Alleingesellschafter-Geschäftsführers der übernehmenden Kapitalgesellschaft ist, führt zu einer verdeckten Gewinnausschüttung i.S.d. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG.

Nichtzulassungsbeschwerde – BFH-Az.: I B 2/21
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Die Volltexte der genannten Entscheidungen sowie weitere Entscheidungen des Niedersächsischen Finanzgerichts ab dem 1. Januar 2000 können Sie auf dem Niedersächsischen Landesjustizportal abrufen.

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Gut zu wissen

Klagerücknahme oder Erledigungserklärung? – Auswirkungen auf die Gerichtskosten

Die Erhebung einer finanzgerichtlichen Klage führt nicht in jedem Fall zu einer Entscheidung des Gerichts über die Sache durch Urteil. Häufig erledigt sich ein finanzgerichtlicher Streit im Laufe des Klageverfahrens, z.B. weil das Finanzamt der Klage abhilft und daraufhin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. In diesen Fällen erreicht den Kläger (oder die Klägerin) folgende Frage des Gerichtes, um zu klären, wie es weitergehen soll: „Bitte teilen Sie mit, ob Sie den Rechtsstreit ebenfalls in der Hauptsache für erledigt erklären, die Klage zurücknehmen oder das Verfahren gegen den nach § 68 Satz 1 FGO kraft Gesetzes zum Gegenstand des Verfahrens gewordenen Änderungsbescheid fortführen wollen.“ Der weitere Fortgang des Verfahrens liegt also in den Händen des Klägers und hat Auswirkungen auf die Gerichtskosten.

Im Falle einer Klagerücknahme trägt stets der Kläger die Kosten (§ 136 Abs. 2 FGO), und zwar selbst dann, wenn er in der Sache gewonnen hat. Haben dagegen Kläger und Finanzamt den Rechtsstreit jeweils in der Hauptsache für erledigt erklärt (z.B weil dem Klagebegehren entsprochen wurde), entscheidet das Gericht nur noch nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens; der bisherige Sach- und Streitstand ist dabei zu berücksichtigen. In diesen Fällen sollte die Klage daher regelmäßig nicht zurückgenommen werden, sondern ebenfalls „in der Hauptsache für erledigt erklärt“ werden. In einem Kostenbeschluss nach § 138 FGO kann das Gericht dem Finanzamt die Kosten auferlegen oder je nach Sach- und Streitstand eine Kostenteilung vornehmen. Wenn jedoch die Erledigung beispielsweise auf der verspäteten Vorlage der Steuererklärung erst im Klageverfahren beruht, muss auch in den Fällen der Erledigung der Hauptsache der Kläger die Kosten tragen.

Nach den Erfahrungen der Finanzrichterinnen und -richter erreichen das Gericht häufig Schriftsätze, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit ebenfalls in der Hauptsache für erledigt erklären und die Klage daher zurücknehmen. Solche Schriftsätze sind mindestens missverständlich und sollten im Kosteninteresse vermieden werden. „Zu beachten ist in jedem Fall, dass es sich bei der Rücknahme und der Erledigungserklärung um zwei Alternativen mit unterschiedlichen Auswirkungen auf die Kostenentscheidung handelt, es kann also entweder die Rücknahme oder die Erledigung erklärt werden, nicht beides zusammen“, so der im 5. Senat tätige Richter am Finanzgericht Andre Ossinger. Im Zweifelsfall sollte nicht die Rücknahme, sondern die Erledigung der Hauptsache erklärt werden.

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Neues aus dem
Niedersächsischen
Finanzgericht


Geschäftszahlen 2020 - Keine Beeinträchtigung des finanzgerichtlichen Rechtschutzes durch die Corona-Pandemie

Das Niedersächsische Finanzgericht hat die Geschäftszahlen für das Kalenderjahr 2020 vorgelegt. Die Anzahl der beim Finanzgericht eingegangenen Verfahren (Klagen, Verfahren zur Gewährung von vorläufigem Rechtschutz, Kostensachen) ist gegenüber dem Vorjahr um 302 Verfahren gesunken. Dies bedeutet eine deutliche Verringerung um 7 % und verfestigt die bereits seit einigen Jahren andauernde rückläufige Entwicklung bei der Zahl der Eingänge. Die Anzahl der Erledigungen ist ebenfalls zurückgegangen und liegt mit 3.864 unter der Zahl der Eingänge (4006). Zum 31.12.2020 waren 293 Verfahren anhängig, die älter als zwei Jahre waren (243 im Vorjahr).

Die Corona-Pandemie hat im vergangenen Jahr auch die Justiz vor besondere Herausforderungen gestellt, die Gewährleistung des finanzgerichtlichen Rechtsschutzes ist jedoch nicht beeinträchtigt worden“, sagt die Präsidentin des Finanzgerichts Petra Hager. „Die durchschnittliche Erledigungsdauer ist weiterhin auf einem niedrigen Niveau und ist im Bereich des vorläufigen Rechtschutzes sogar verkürzt worden. Ein Verfahrenstau ist nicht erkennbar. Dennoch zeigen sich die pandemiebedingt gehäuft aufgetretenen Fristverlängerungsanträge der Beteiligten und die gebotene Zurückhaltung bei der Durchführung mündlicher Verhandlungen in Zeiten hoher Infektionszahlen auch in der vorliegenden Statistik“, so Hager.

Die durchschnittliche Verfahrensdauer ist in 2020 auf 10,4 Monate angestiegen (Vorjahr 9,8 Monate) und die durchschnittliche Verfahrensdauer der durch Urteil/Gerichtsbescheid erledigten Verfahren, die nicht zur Abweisung als unzulässig geführt haben, liegt wie im Vorjahr konstant bei 15,4 Monaten. Im Bereich des vorläufigen Rechtsschutzes beträgt die Verfahrensdauer wie im Vorjahr 3,8 Monate und konnte in den durch Beschluss erledigten Fällen, die nicht zu einer Abweisung als unzulässig geführt haben, sogar geringfügig auf 4,8 Monate verringert werden.

Im Geschäftsjahr 2020 hat der elektronische Rechtsverkehr zwischen dem Niedersächsischen Finanzgericht und den Verfahrensbeteiligten weiter zugenommen. Die Kommunikation wird über verschiedene sog. sichere Übermittlungswege, wie die absenderauthentifizierte De-Mail, das besondere Anwaltspostfach (beA) oder das besondere Behördenpostfach (beBPo), abgewickelt. Dies führt zu einer erheblichen Erleichterung in den Arbeitsabläufen, insbesondere bei den pandemiebedingt eingerichteten Heimarbeitsplätzen.

Die Geschäftszahlen für 2020 im Einzelnen ergeben sich aus der nachstehenden Tabelle:

2018

...

2019

...

2020

Neuzugänge

a) Klagen

3.861

3.795

3.542

b) Verfahren zur Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz

503

461

416

c) Kostensachen

58

52

48

Summe

4.422

4.308

4.006

Erledigungen

a) Klagen

3.988

3.868

3.466

b) Verfahren zur Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz

504

481

398

c) Kostensachen

-

-

-

Summe

4.492

4.349

3.864

Art der Erledigung (Klagen und vorläufiger Rechtsschutz)

a) Urteil, Gerichtsbescheid, Beschluss

1.013

998

900

b) Erledigung der Hauptsache

1.495

1.374

1.355

c) Rücknahme

1.752

1.737

1.372

d) andere Erledigungen

232

240

237

Summe

4.492

4.349

3.864

Durchschnittliche Verfahrensdauer (in Monaten)

a) der erledigten Klageverfahren

10

9,8

10,4

b) der durch Urteil oder Gerichtsbescheid erledigten Klageverfahren, die nicht zur Abweisung als unzulässig geführt haben

14,3

15,4

15,4

Durchschnittliche Verfahrensdauer (in Monaten)

a) der erledigten Verfahren zur Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz

3,5

3,8

3,8

b) der durch Beschluss über Aussetzung der Vollziehung erledigten Verfahren, die nicht zur Abweisung als unzulässig geführt haben

4,7

5,2

4,8

Unerledigte Verfahren am 31.12.

a) Klagen

3.075

3.003

3.080

b) Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz

137

117

135

c) Kostensachen

-

-

-

d) Sonstige selbständige Verfahren

4

1

3

Summe

3.216

3.121

3.218

Altersaufbau der am 31.12. unerledigten Klageverfahren

> 5 Jahre

0

0

0

> 4 bis 5 Jahre

0

1

3

> 3 bis 4 Jahre

15

21

36

> 2 bis 3 Jahre

219

222

254

> 1 bis 2 Jahre

657

670

690

< 1 Jahr

2.184

2.089

2.097

Summe

3.075

3.003

3.080

Personaleinsatz in Rechtssachen im Durchschnitt des abgelaufenen Jahres

45,05

41

43,72

Durchschnittliche Erledigung je richterlicher Arbeitskraft

99,7

106,1

88,4

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Kampagne „Wir sind stärker! Niedersachsen gegen Corona“   Bildrechte: Nds. Staatskanzlei

Artikel-Informationen

erstellt am:
17.02.2021

Ansprechpartner/in:
Frau Andrea-Alexandra Bartels

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